Yverdon-Sport FC – Neuchâtel Xamax FC 0:1

Schweiz, Schweizer Pokal (1. Runde)
Sonntag, 19. August 2018, 16 Uhr
Yverdon-les-Bains, Stade Municipal

Vom Bieler See geht es an den Lac de Neuchâtel, womit die Tour nun endlich dort angekommen ist, worauf sie seit zwei Tagen hinarbeitet: in der Romandie, der französischsprachigen Schweiz. Dabei wird auch der Bahnhof von Neuchâtel passiert, von wo aus es nur noch 17 Zugminuten bis nach Yverdon sind, was den besonderen Charakter dieses Pokalspiels unterstreicht. Auch Yverdon liegt am Lac de Neuchâtel, dessen Ufer – nach einem kleinen Rundgang durch die auch hier wieder sehenswerte Altstadt – mit ein paar kühlen Dosen Feldschlösschen im Rucksack angesteuert wird, um dort noch zwei Stunden lang bis zum Anpfiff in der Sonne zu genießen. Da das Stadion nur ein paar Schritte vom See entfernt ist, bin ich natürlich nicht alleine mit dieser Idee. Auch die Ultras aus Neuchâtel haben sich ein paar Meter entfernt am Ufer breit gemacht und stimmen sich auf das Spiel ein. Den See dürften sie zwar bestens kennen, aber bei diesen örtlichen Begebenheiten zwängt sich das regelrecht auf – erst Recht Mitte August. Xamax (der Name ist eine Hommage an Vereinsgründer Max „Xam“ Abegglen) hat sich inzwischen von seinem Lizenzentzug im Jahre 2012 und dem damit verbundenen Zwangsabstieg in die 5. Liga erholt und ist seit dieser Saison wieder erstklassig. 2011 geriet der dreimalige Schweizer Meister (1916, 1987, 1988) in den Besitz des tschetschenischen Oligarchen Bulat Tschagajew, der den Karren kräftig gegen die Wand gefahren hatte. Er ließ unter anderem in den Halbzeitpausen tschetschenische Volkstänze aufführen, kyrillische Werbebanden tauchten im Stade de la Maladière auf und als Höhepunkt wollte Tschagajew den Verein umbenennen, nämlich in Vainach (historische Bezeichnung für die Tschetschenen). Mit den von Anfang an kritischen Xamax-Ultras legte sich Tschagajew heftig an, denen er kurzerhand die Dauerkarten entzog. Da allerdings auch Spielergehälter nicht bezahlt wurden, schob der Schweizer Fußballverband dem Treiben einen Riegel vor und entzog Xamax im Januar 2012 die Lizenz. Genau eine Woche später wanderte Tschagajew in Untersuchungshaft, die Schweiz entzog ihm das Visum und er musste das Land verlassen. Im August 2016 dann begann der Prozess in Neuchâtel, dem Tschagajew entgegen allen Erwartungen tatsächlich persönlich beiwohnte – weil er sich für unschuldig hielt. Urteil: drei Jahre Haft wegen Misswirtschaft, Untreue, versuchten Betrugs und Urkundenfälschung. Zwei Monate zuvor beendete Xamax seine erste Zweitligasaison nach dem Zwangsabstieg auf dem zweiten Platz und verpasste nur kanpp den Aufstieg in die 1. Liga. Ein Stück Gerechtigkeit, auch wenn es vom Timing her noch schöner gewesen wäre, wenn der Aufstieg tatsächlich geklappt hätte. Der gelang dafür zwei Jahre später, so dass Xamax heute in Yverdon wieder als Erstligist auftritt. 2.500 Zuschauer sind dabei, was für die nicht ganz so fußballbegeisterte Romandie eine gute Zahl ist. Hier gibt’s auch Pokalspiele mit so gerade mal dreistelliger Zuschauerzahl. Die Xamax-Ultras – zahlenmäßig auch nicht der größte Haufen der Schweiz – liefern eine ziemlich gute Show samt einer ordentlichen Pyro-Einlage zu Spielbeginn. Der Support ist natürlich komplett francophon geprägt und geht damit umso besser ins Ohr. Yverdon hat keine wirkliche Fanszene, dafür leider ein paar Hausfrauen, die permanent durchs Megaphon in Richtung Spielfeld quaken. Auch das kennt man aus Frankreich, macht die Sache aber nicht besser. Sportlich wird es ne ganz enge Kiste für Xamax, der Ausgleich liegt mehrere Male in der Luft. Das bringt auch mich zum Zittern, denn da ich gerade bei diesem Spiel aufgrund des Klassenunterschieds (Yverdon ist Drittligist) mit keiner Verlängerung gerechnet habe, wurde ein Zug gebucht, der bereits 20 Minuten nach dem regulären Spielende am nur 1.000 Meter entfernten Bahnhof abfährt. Einen Plan B gibt es nicht und damit für den Fall einer Verlängerung keine Möglichkeit mehr, noch nach Hause zu kommen, aber glücklicherweise hält die Xamax-Abwehr Stand.