FC Biel Bienne – Berner SC Young Boys 2:3 n.V.

Schweiz, Schweizer Pokal (1. Runde)
Samstag, 18. August 2018, 19.30 Uhr
Biel/Bienne, „Tissot Arena“

Von Solothurn geht es 30 km weiter westlich zur deutsch-französischen Sprachgrenze. Genau auf dieser liegt Biel bzw. Bienne, das mit 55.000 Einwohnern die größte zweisprachige Stadt der Schweiz ist. 55 Prozent der Einwohner sprechen Deutsch als Muttersprache, 28 Prozent Französisch, was zu einigen lokalen Besonderheiten führt. So ist Biel/Bienne, das grundsätzlich in der zweisprachigen Variante geschrieben wird, die einzige Stadt der Schweiz, in der eine gesetzliche Pflicht zur Zweisprachigkeit besteht. Es hier auch nicht ungewöhnlich, jemanden auf Deutsch etwas zu fragen und eine Antwort auf Französisch zu bekommen. Besonders interessant ist das in den Kinos der Stadt, in denen Filme in der Regel in der Originalsprache und dann sowohl mit deutschem als auch französischem Untertitel gezeigt werden. Wirtschaftlich ist Biel/Bienne für den Sitz mehrerer Uhren-Konzerne bekannt, darunter Omega und Swatch; Rolex unterhält zudem eine Produktion. Swatch entwickelte hier zusammen mit der Daimler AG den Smart, stieg zwar recht früh aus dem Projekt wieder aus, leiht der Automarke aber bis heute seinen Namen: Smart setzt sich aus den Anfangsbuchstaben von Swatch und Mercedes sowie dem Wort Art zusammen. Ein anderer Uhrenkonzern ist wiederum Namensgeber des neuen Stadions, der allerdings gar nicht in Biel/Bienne sitzt. Tatsächlich besteht das Stadion aus zwei Stadien (weshalb in der Stadt immer „Stadien/Stades“ auf den Straßenschildern steht), nämlich einem Fußball- und einem Eisstadion. Und auch das ist eine schöne Verbindung der zwei verschiedenen Einflüsse auf die Stadt, denn während in der Deutschschweiz König Fußball regiert, fährt man in der französischsprachigen Romandie eher auf Eishockey ab. Das erinnert ein wenig an Frankreich, wo ja Fußball nicht Volkssportart Nummer 1 ist. Neben Ambrì und Lugano aus dem italienischsprachigen Tessin kommen mit Lausanne, Fribourg-Gottéron und Genf auch mit die stärksten Schweizer Eishockey-Kurven aus der Romandie. Mit drei Meistertiteln gehört auch der EHC Biel/Bienne zu den erfolgreicheren Mannschaften der Schweiz. Der entschied sich vor einigen Jahren, gemeinsam mit dem FC Biel/Bienne ein Stadion am Stadtrand zu bauen, das 2015 eröffnet wurde. Beide Vorgänger-Stadien galten als veraltet – das Stadion Gurzelen des FC Biel/Bienne stammt noch aus dem Jahr 1913, beim EHC fielen bereits Teile vom Dach auf die Eisfläche. Beim FC Biel/Bienne (Schweizer Meister von 1947) ging damit auch die angepeilte Rückkehr in die 1. Liga einher. 2008 stieg man in die 2. Liga auf, musste aber bereits ab 2012 seine Heimspiele in Neuchâtel austragen, da das Stadion Gurzelen nicht als zweitligatauglich galt. Im Sommer 2015 dann ging es – kurz nach Fertigstellung des neuen Stadions – dank eines neuen Mehrheitsäktionärs rund, der sich nach einer Kündigungswelle kurzerhand selbst zum Präsidenten machte. Im Januar 2016 wurde bekannt, dass der FC Biel/Bienne 800.000 Franken Schulden hat, was für neue Unruhe in der Führungsetage sorgte, zumal der Verein die Schulden nicht bezahlen konnte. Das Ende vom Lied: Lizenzentzug und Zwangsabstieg in die 6. Liga. Nach zwei Aufstiegen in Folge ist der FC Biel/Bienne, der 2011 noch im Pokal-Halbfinale stand, nun immerhin wieder Viertligist. Für Abwechslung vom tristen Liga-Alltag sorgt in diesem Jahr der Pokal, in dem der FC Biel/Bienne den Hauptpreis gezogen hat. Die Young Boys sind nicht nur amtierender Schweizer Meister, sondern auch so etwas wie ein Derby-Gegner. Biel/Bienne liegt im Kanton Bern und gerade im Eishockey soll bei den Aufeinandertreffen gut etwas los sein. So tragen auch beim heutigen Fußball-Pokalspiel im annähernd ausverkauften Stadion doch einige Zuschauer T-Shirts vom EHC Biel/Bienne. Interessant: Während beim EHC eher auf Französisch gesungen wird, singt man beim FC Biel/Bienne hauptsächlich auf Deutsch. Doch damit kann der kleine Haufen der Bieler Ultras das restliche Stadion, das wohl sonst eher zum Eishockey geht, nicht so wirklich mitreißen. Als im Laufe des Spiels klar wird, dass es heute eine faustdicke Überraschung geben könnte und den Young Boys das Pokal-Aus droht, wird immer mehr auf Französisch umgeschwenkt, wodurch auch andere Teile des Stadions in die Gesänge einsteigen. Das gilt vor allem für den Schlachtruf „Ici c'est Bienne“ („Das hier ist Bienne“), der schon recht beeindruckend daherkommt. Trotzdem: Zwei Drittel der anwesenden Zuschauer sind YB-Fans. Für den FC Biel/Bienne ist es ein Auswärtsspiel, da werden stimmungsmäßig natürlich keine Bäume herausgerissen. Wie im Pokal üblich verzichten die YB-Ultras auf Gruppenfahnen und stehen vereint hinter einer „Sportclub Young Boys“-Fahne. Der Support ist eher durchwachsen, die Stimmhoheit hat der Hauptstadtclub aber selbstverständlich. Sportlich schrammt der FC Biel/Bienne wie gesagt nur knapp an der Sensation vorbei. Der führt bis zur 90. Minute mit 2:1, ehe sich der Schweizer Meister mit einem Tor in der fünften Minunte der Nachspielzeit in die Verlängerung rettet und dort in der 120. Minute das Siegtor erzielt.