WAF Vorwärts Brigittenau – Favoritner AC 2:2

Österreich, Wiener Stadtliga (4. Liga)
Sonntag, 26. August 2018, 10.30 Uhr

Wien, WAF-Gruam

Es ist wie gesagt eine echte Sahne-Tour, bei der so ziemlich alles passt. So wird am Sonntagmorgen vor dem großen Tour-Finale im Weststadion nicht nur Wiener Stadtliga in einem noch fehlenden Ground geboten, sondern es ist der einzige Verein der Liga zu Gast, bei dem eine Ultras-Szene gibt. Zuvor lohnt sich jedoch ein kleiner Rundgang durch die Brigittenau, dem 20. Wiener Gemeindebezirk. Historisch interessant ist das Gebiet, weil es Schlachtfeld bei der Belagerung durch die Türken war, wovon u.a. noch ein großes Wandbild erzählt. 1850 wurde die Brigittenau nach Wien eingemeindet und aufgrund der günstigen Mieten zu einem Arbeiterbezirk. Soziale Themen spielen hier seither eine zentrale Rolle, so dass 1905 ein Wohnheim für Obdachlose entstand, das wegen seiner Einzelkabinen, einer Kantine und seiner Bäder als geradezu luxuriös galt. Von 1910 bis 1913 lebte in diesem Obdachlosenheim auch Adolf Hitler. Bekannt ist die Brigittenau aber für die genau entgegengesetzte politische Richtung, so dass sich in dem Bezirk bis 1992 auch der Sitz der Kommunistischen Partei Österreichs befand. Spuren finden sich noch immer; so endet die durch die Brigittenau führende Straßenbahnlinie am Friedrich-Engels-Platz, unweit des Stadions steht zudem ein KPÖ-Denkmal gegen den Faschismus. Geprägt wird der Bezirk aber auch von seinem hohen Ausländeranteil, der mit 26 Prozent der dritthöchste Wiens ist. Stark vertreten sind Einwanderer aus dem ehemaligen Jugoslawien, wie man unschwer an den Häuserwänden erkennen kann, an denen sich die Wiener Ableger von Bad Blue Boys, Delije und Co. ihren Kleinkrieg liefern. Mittendrin in diesem bunten Sammelsurium, umgeben von Hochhäusern alter und neuer Architektur steht die Gruam (manchmal auch Gruabn genannt) des Wiener Associations Football Club, der 1914 österreichischer Meister und 1922 Pokalsieger wurde. Mitbegründer des Vereins war übrigens Richard Kohn, der 1932 den FC Bayern München zu seiner ersten deutschen Meisterschaft führte. Bereits 1924 setzte hingegen der Niedergang des WAF ein, der 1982 vom angrenzenden 2. Bezirk in die Brigittenau umzog und seitdem in der Gruam spielt. Viele Fusionen prägten die WAF-Vereinsgeschichte, 2004 meldete man sich sogar für sechs Jahre komplett vom Spielbetrieb ab. Die jüngste Ehe ging der WAF 2015 mit dem SV Vorwärts Brigittenau ein und nennt sich nun WAF Vorwärts Brigittenau. Mit Erfolg, denn vergangene Saison gelang der Aufstieg in die 4. Liga, in der man heute sein erstes Heimspiel bestreitet. Zu Gast ist mit dem Favoritner AC (meist nur FavAC genannt) die alte Dame der Wiener Stadtliga. In den 90er-Jahren spielte der FavAC mehrere Jahre lang in der 2. Liga, gehört aber nach einem Zwangsabstieg aufgrund finanzieller Probleme seither der Stadtliga an. Bereits 1993 gründeten sich mit den Fedayn die Ultras des FavAC, die dem Verein noch immer die Treue halten. Es tun sich gewisse Parallelen zu Budapest auf, wo es gleich mehrere solcher Kleingruppen gibt, die ihrem Verein in der Stadtliga hinterherfahren. Überhaupt gibt es ja viele Gemeinsamkeiten zwischen den beiden großen Städten des ehemaligen Kaiserreichs Österreich-Ungarn, was wohl auch ein Grund für die besondere Ungarn-Affinität der Fedayn ist. Auf ihrer Homepage berichten sie regelmäßig über das Fußballgeschehen in Ungarn, auf ihre Zaunfahne haben sie den Zusatz „Kommando Budapest“ gepinselt. Ziemlich interessante Gruppe, die obendrauf eine Freundschaft nach Bregenz pflegt. Supportet wird in der Gruam nur ab und zu, das ist in dem Fall aber auch gar nicht so ausschlaggebend. Ohnehin hat man hier schon genug damit zu tun, sich am Stadion zu ergötzen, das vor allem mit seiner städtischen Lage und Umgebung punktet. So gar nicht ins Bild passt lediglich die Werbebande von Borussia Dortmund, die vor der kleinen Tribüne hängt. Das ist allerdings nicht das einzige Stück Deutschland, das man in der Brigittenau findet. Mehrere Straßen und Plätze sind nach sächsischen und niedersächsischen Städten benannt. Der Grund: Als Österreich 1866 im Deutschen Krieg gegen Preußen kämpfte, standen das Königreich Sachsen und das Königreich Hannover an der Seite Österreichs (wie übrigens auch die süddeutschen Staaten). Aus Dankbarkeit erhielten daraufhin Straßen und Plätze in der Brigittenau sächsische und niedersächsische Namen.