Mittwoch, 19. Dezember 2018, 17 Uhr
İstanbul, Recep Tayyip Erdoğan Stadı
Pokal sei Dank geht es nahtlos mit
Fußball weiter, mit Kasımpaşa kann sogar ein weiterer Erstligist
abgehakt werden. Kasımpaşa ist ein Teil des Stadtteils Beyoğlu,
das Stadion liegt keine fünf Gehminuten entfernt von der İstiklal
Caddesi und dem Galatasaray-Gymnasium. Feinste Istanbuler Lage also,
aus der auch Staatspräsident Erdoğan stammt. In feinster
Dietmar-Hopp-Manier unterstützt er seinen Stadtteilverein, auch wenn
das mal – wie 2014 – gegen das Financial Fair Play der UEFA
verstößt und die Europapokal-Teilnahme kostet. Höchst interessant
auf jeden Fall, dass mit Başakşehir und Kasımpaşa zwei Vereine
wie aus dem Nichts auftauchen und den türkischen Fußball auf den
Kopf stellen. Wie bereits erwähnt will Erdoğan dadurch in Istanbul
ein Gegengewicht zu Beşiktaş, Fenerbahçe und Galatasaray mit
seinen ihm nicht immer ganz wohl gesonnenen Fans herstellen. Dass das
Stadion von Kasımpaşa dafür sogar ganz offen nach Erdoğan benannt
wird, ist schon fast ulkig. Was muss dieser Mann nur für Komplexe
haben… Die sind auch der Grund dafür, warum in der Türkei die
Wikipedia gesperrt ist – und zwar nicht nur die türkischsprachige,
sondern die Gesamtausgabe. Da ist übrigens selbst die chinesische
Zensur liberaler. Grund dafür ist ein Streit zwischen Erdoğan und
Wikipedia, dem einige Passagen in seinem eigenen Artikel nicht
gepasst haben. Wikipedia kam der Aufforderung nicht nach, den Artikel
nach Erdoğans Wünschen zu ändern, so dass die Wikipedia in der
ganzen Türkei (mit Ausnahme der Touristen-Hotels am Mittelmeer)
gesperrt wurde. Neben sämtlichen Porno-Seiten teilen dieses
Schicksal übrigens auch booking.com und soccerway. Bei einer
Türkei-Tour sollten Buchungen und Informationsbeschaffungen also
schon im Voraus getätigt werden. Die Passolig-App funktioniert aber
natürlich einwandfrei in der Türkei, so dass auch für den heutigen
Pokal-Kick gegen Drittligist Menemen Belediyespor aus der Nähe von
Izmir problemlos Tickets für 10 Lira (1,65 Euro) pro Stück geordert
werden können. Viele Leute haben das nicht getan, die Zuschauerzahl
bewegt sich nur knapp oberhalb der 100, darunter auch sechs Gästefans.
Für Kasımpaşa interessiert sich wirklich keine Sau. Ein echter
Knaller ist dafür das mitten in der Stadt gelegene Stadion, das in
den Hang gebaut wurde und somit einen fantastischen Blick auf das
Dächermeer von Beyoğlu offenbart. Das ist dazu nur rund 20 Gehminuten von unserer Wohnung am Taksim-Platz entfernt, so dass ein erneuter Spaziergang über die İstiklal Caddesi ansteht. Schade nur, dass das Wetter in Istanbul immer schlechter wird. In der zweiten Halbzeit fängt es sogar an zu schneien.