Gelişimspor Kulübü – Yedikulespor Kulübü 1:1

Türkei, İstanbul 1. Amatör Lig – Grup 5 (7. Liga)
Sonntag, 23. Dezember 2018, 12.30 Uhr
İstanbul, Beyoğlu İlçe Stadı

Das letzte Fußballspiel des Jahres ist zugleich das interessanteste dieser Tour – zumindest aus historischer Sicht. Denn aus Beyoğlu stammt Hermes Pera, der Vorgänger der griechischen Vereine PAOK und AEK. Pera ist der griechische Name von Beyoğlu und bedeutet übersetzt „auf der anderen Seite“. Der Name stammt aus der Zeit, als Istanbul bzw. Konstantinopel sich noch weitgehend nur auf den Stadtteil Sultanahmet ausdehnte. Sämtliche historische Gebäude wie die Hagia Sophie (einst die größte Kirche der Welt), die Blaue Moschee, die Zisterne und die Überreste des Hippodroms befinden sich daher im am Goldenen Horn gelegenen Sultanahmet. Als die Stadt sich ausdehnte, wurde die andere Seite des Goldenen Horns besiedelt, der daher Pera genannt wurde. Pera/Beyoğlu wuchs in der Folge zum am westlichsten geprägten Stadtteil Istanbuls heran. Hier befinden sich noch heute die katholische und die deutsch-evangelische Kirche Istanbuls, unweit der Prachtstraße İstiklal Caddesi mit ihren typisch europäischen Jugendstil-Gebäuden. Pera/Beyoğlu war auch eine Hochburg der in der Stadt lebenden Griechen, von denen im Vielvölkerstaat des Osmanischen Reichs mehr als eine Million entlang von Schwarzem Meer und türkischer Ägäisküste lebten. Istanbul ist ohnehin seit Jahrhunderten die wichtigste Stadt für Griechenland, sitzt hier doch noch immer mehr mit Patriarchen von Konstantinopel das Oberhaupt der griechisch-orthodoxen Kirche. Nach dem Griechisch-Türkischen Krieg (mehr dazu wurde ja bereits an dieser Stelle ausgeführt) wurden Anfang der 1920er-Jahre eine halbe Million Türken aus Griechenland und 1,25 Millionen Griechen aus der Türkei vertrieben – und mit ihnen auch ihre Fußballvereine. Hermes Pera wurde daraufhin zweimal in Griechenland wiedergegründet: 1924 als AEK in Athen und 1926 als PAOK in Saloniki. Beide Vereine benutzen mit dem doppelköpfigen Adler das frühere Stadtwappen von Istanbul/Konstantinopel als Vereinswappen, zudem steht das K jeweils für Konstantinopel. Hermes Pera wurde allerdings nie aufgelöst, sondern zu einem türkischen Verein und existiert als Beyoğluspor bis heute weiter. Selbst die Vereinsfarben Schwarz und Gelb (die Farben der griechisch-orthodoxen Kirche) wurden beibehalten. Der Auftrag an diesem Sonntag, der auch in der Türkei den Amateuren gehört, ist also klar: Spurensuche betreiben – zumal wir ja jetzt schon seit meheren Tagen in Beyoğlu am Taskim-Platz residieren. Die Spurensuche fällt jedoch nicht ganz leicht, schon allein deshalb, weil in der Türkei die Wikipedia gesperrt ist. Über die ansonsten ganz hervorragende Internetseite amatorfutbol.org werden zwar sämtliche Istanbuler Spielpläne ausfindig gemacht, aber keine Spur von Beyoğluspor. Vergangene Saison spielten sie noch in der 9. Liga mit, die zugleich die unterste Liga in Istanbul ist, in dieser Saison aber taucht der Name nirgendwo auf. Dann muss also Plan B in die Tat umgesetzt werden: Ein Spiel im Stadion von Beyoğlu sehen, in dem auch Beyoğluspor spielt. Ob hier früher auch Hermes Pera gespielt hat, ist nicht herauszufinden. Das Stadion liegt aber in einem Park am Goldenen Horn. Grundsätzlich wäre hier also auch damals Platz zum Fußballspielen gewesen. In seiner jetzigen Ausbauform stammt das Stadion jedoch keinesfalls aus der Zeit vor 1923, auch wenn die Tribüne doch schon einige Jahre auf dem Buckel hat. Per Linienbus ist das Stadion innerhalb vom Taksim-Platz aus in 20 Minuten erreicht. Sonntags werden hier von morgens bis spätnachmittags Fußballspiele im Akkord ausgetragen. Die oben genannte Partie bekommt alleine wegen der gut in den übrigen Tagesablauf passenden Anstoßzeit den Zuschlag, erweist sich jedoch als echter Glücksgriff – denn beim Gastverein Yedikulespor gibt es eine Ultras-Szene. Mag auf den ersten Blick bei einem Siebtligisten etwas skurril klingen, allerdings ist Istanbul eine Stadt mit 15 Millionen Einwohnern. Da gibt es natürlich nicht nur bei den Vereinen in den oberen drei Ligen organisierte Fanszenen. Die Jungs von Yedikulespor punkten mit recht untürkischen Gesängen, die man größtenteils eher aus Griechenland kennt. Das passt in diesem Fall natürlich ganz besonders. Polizei darf natürlich auch in dieser Liga nicht fehlen, wobei die sehr entspannt ist und sich auch nicht an den vielen Böllern auf der Gästetribüne stört. Auch touristisch kann Beyoğlu am Abend endlich abgehakt werden, denn endlich schaffen wir es mal, den wunderschönen Galataturm zu erklimmen, der einen traumhaften Blick auf das Goldene Horn und den Bosporus offenbart.