SC Mannswörth - SV Gerasdorf/Stammersdorf 2:3

Österreich, Wiener Stadtliga (4.Liga)
Freitag, 11. November 2022, 18 Uhr
Mannswörth, Sportplatz Mannswörth

Am letzten Wochenende vor der WM-Pause und damit am letzten vernünftigen Wochenende des Jahres soll noch eine Liga komplettiert werden. Mehrere Kandidaten gibt es, bei denen nur noch ein Ground fehlt. Die Wahl fällt auf Ungarn. Durch das offensive Einsetzen von Zwischenhalten gibt's den Trip bei der DB für die ersten zwei Tage für insgesamt 44 Euro. Stark! Auf dem Hinweg wird am Freitag wie üblich in Österreich Station gemacht, wo in der viertklassigen Wiener Stadtliga am Abend der SC Mannswörth spielt. Weil man bei der DB aufgrund der Verspätungen inzwischen ja zeitlich großzügig kalkulieren muss, wird die österreichische Hauptstadt laut Plan schon kurz nach Mittag erreicht. Plan ist, mindestens zwei Wiener Würstlbuden abzuhaken, die vom Gourmet-Magazin Falstaff kürzlich in die Top 8 gewählt wurden. Dank massiver Verspätung des Zuges muss da leider abgespeckt werden. Es geht somit nur zu „Alles Walzer, Alles Wurst“ im 10. Bezirk (Favoriten), nur wenige Straßenbahnen-Haltestellen vom Hauptbahnhof entfernt. Beim Anblick des an einer vielbefahrenen Kreuzung gelegenen Häuschens ist es mir mal wieder ein Rätsel, warum die Institution Würstlbude in Wien vom Aussterben bedroht ist. Ganz eindeutig ist das hier ein Treff für das ganze Viertel. Aber (auch) in Wien hat die Dönerbude inzwischen ganz klar der Würstlbude den Rang abgelaufen. Die wenigen verbliebenen sind wahrscheinlich nur deshalb verblieben, weil sie ganz speziell unnachahmlich sind. Auf „Alles Walzer, Alles Wurst“ trifft das definitiv zu. Ziemlich rotziger Umgangston, so muss es sein, erst recht hier im 10. Bezirk, aber eben auch grandioses Essen. Auf die angepriesene Bisonwurst aus Kanada verzichte ich zwar, dafür gibt's ganz bodenständig eine Bosna Salzburger Art mit hausgemachter Senfsauce. Ein Gedicht! Und das geniale Entertainment durch die anderen Gäste gibt's wie üblich gratis dazu. Für eine zweite Würstlbude bleibt dann wie gesagt keine Zeit, denn bereits um 18 Uhr ist Anpfiff beim SC Mannswörth. Mannswörth gehört zwar nicht zu Wien, spielt aber dennoch in der Wiener Stadtliga mit. Nach dem Anschluss an Deutschland vergrößerten die Nazis 1938 Wien und machten es zu Großwien, wodurch auch das 2000-Einwohner-Örtchen ein Wiener Stadtteil wurde. Das Wien umgrenzende Niederösterreich wurde nach dem Zweiten Weltkrieg sowjetische Besatzungszone und auch die Sowjets beließen Mannswörth erst einmal bei Wien. Erst 1954 wurde es wieder aus der Hauptstadt herausgelöst und Schwechat zugeschlagen. Heute ist Mannswörth für zwei Dinge bekannt: Der Wiener Flughafen liegt größtenteils auf seinem Gebiet und hier befindet sich die riesige Ölfaffinerie der OMV – die einzige Österreichs. Geplant und gebaut wurde sie zwar schon vor dem Anschluss an Nazi-Deutschland, aber in Betrieb genommen erst 1938, weshalb sie entscheidend war für die NSDAP und den späteren Kriegsverlauf. Hier wurden Öl und Schmiermittel für die Wehrmacht an der Ostfront produziert. Natürlich war sie vorrangiges Angriffsziel der Alliierten und insgesamt rund 4000 Bombenangriffen ausgesetzt, aber sie wurde immer wieder schnell zusammengeflickt, eben weil sie so kriegsentscheidend war. Für den Hopper etwas unpraktisch: Während die Kernstadt von Schwechat bei Bus und Bahn noch zur Wiener Kernzone gehören, liegt Mannswörth außerhalb, weshalb eine eigene Fahrkarte gekauft werden muss. Aber wenigstens befindet sich eine Bushaltestelle gleich in der Nähe des Grounds. Architektonisch erinnert Mannswörth schon sehr an das nahe Ungarn und ist somit ein guter Vorgeschmack. Auf dem Sportplatz geht es dann leider recht ungemütlich zu. Es ist kalt und eine Nebelsuppe liegt über dem Rasen. Es ist das letzte Heimspiel des Jahres und der Stadionsprecher spricht richtigerweise von „herbstlich-winterlicher Atmosphäre“. Mehr November geht nicht. Vom Ausbau her ist der Mannswörther Sportplatz eher nicht so dolle. Eine Reihe Sitzbänke auf der einen Geraden, ein Graswall samt kleiner Videoanzeigentafel auf der anderen und wie in Österreich üblich ein sehr ausufernder Catering- und Suffbereich. Highlight ist da schon der Blick auf die riesige Raffinerie, die hier natürlich Sponsor ist. Im Juni kam es dort übrigens zu einem Unfall, durch den der süddeutsche Markt nicht beliefert werden konnte, der von der Raffinerie extrem abhängig ist. Anders als im übrigen Deutschland stiegen dadurch die Benzinpreise in Süddeutschland auf über 2 Euro. Interessant, sich mal mit diesen Zusammenhängen auseinanderzusetzen. Es sind eben nicht immer die böse Politik und die bösen Ölmultis. Nach dem Spiel geht's zurück zum Wiener Hauptbahnhof, wo mit dem dortigen Würstlstand am Südtiroler Platz ein weiterer Vertreter der Top 8 abgehakt wird. Ist allerdings ein alter Bekannter, schließlich dürfte er Wiens Würstlstand mit den ausuferndsten Öffnungszeiten sein. Früher oder später landet jeder hier mal. Und je später der Abend desto skurriler die Gäste. Jedes Mal mega-spannend. Gut gestärkt (auch mental) geht es somit in den Spät-Railjet nach Budapest, der mich in Győr ausspuckt. Günstiges Hotel gleich in Bahnhofsnähe, ein paar Stunden pennen und morgen rein ins ungarische Abenteuer.