Ungarn, Nemzeti Bajnokság II (2.Liga)
Sonntag, 13. November 2022, 15 Uhr
Kozármisleny, Alkotmány téri pálya
Der Überlandbus von Bóly nach Pécs hält auch in Kozármisleny, allerdings am nördlichsten Zipfel des langgestreckten Dorfs, während sich das Stadion ganz im Süden befindet. Damit steht ein knapp 30-minütiger Fußmarsch durch Kozármisleny an, vorbei an immer gleich aussehenden Vorgärten mit kläffenden Hunden. At the end of the road erwartet einen dann die Glitzerwelt der 2.Liga. Oder wie man sie hier draußen auf dem Lande halt interpretiert. Mitten ins Nichts wurde eine moderne Tribüne gesetzt, die so gar nicht zum Dorf passt. Gleiches gilt für die völlig übermotivierten Ordner, die jedes Mal auf dem Weg vom im Vereinsheim untergebrachten Bierstand zur Tribüne die Karten kontrolliert. Es gibt hier wohlgemerkt nur eine Preiskategorie, nämlich à 1000 Forint (2,50 Euro). Warum müssen dann jedes Mal die Tickets kontrolliert werden? Enttäuschend auch der Blick in den Gästeblock, denn es sind gerade einmal 20 Leute mit zwei Zaunfahnen mitgekommen. Die Győri ETO ist viermaliger ungarischer Meister (1963, 1982, 1983, 2013), ging aber 2015 bankrott und wurde in die 3.Liga strafversetzt. Inzwischen ist man zumindest wieder in der 2.Liga. Von der Fanszene ist leider nicht mehr viel übriggeblieben und so kommt heute nur sporadischer Support von den 20 Leuten. Auf Heimseite gibt es keine organisierte Fanszene. Nach dem Spiel führe ich mir noch etwas Pécs zu Gemüte. Die Hauptstadt des südlichsten Komitats Ungarns (Baranya) war 2010 Europas Kulturhauptstadt, was deutlich macht, dass in Pécs etwas los ist. Die Stadt hat eine besondere Geschichte, da sie länger als andere Orte in Ungarn zum Osmanischen Reich gehört hat, nämlich knapp 150 Jahre lang – von 1543 bis 1686. Die Osmanen haben viele Spuren hinterlassen, die bis heute sichtbar sind. Allen voran die Gazi-Khassim-Moschee, die das Wahrzeichen der Stadt ist. Nach der Rückeroberung der Ungarn wurde sie zur Kirche gemacht. Kennt man ja aus Istanbul, nur umgekehrt. In Pécs spart man nicht mit Provokationen und setzte auf den Halbmond auf der Kuppel ein christliches Kreuz. Immerhin ist die auf dem zentralen Platz von Pécs, direkt gegenüber des Rathauses gelegenen Gazi-Khassim-Moschee schön mit Licht in Szene gesetzt. Das gilt nicht für die Pascha-Jakowali-Hassan-Moschee am Rand der Altstadt, die man zumindest jetzt ohne Tageslicht fast übersieht. Dabei gilt sie als das am besten erhaltene muslimische Bauwerk Ungarns. Das Besondere: Im Gegensatz zur Gazi-Khassim-Moschee hat sie noch ihr Minarett. Überhaupt gibt es nur noch drei Minarette aus osmanischer Zeit in ganz Ungarn. Die anderen beiden (in Eger und Érd) hatte ich vergangenes Jahr besucht, somit sind die ungarischen Minarette jetzt komplettiert. Man merkt schnell: Auf sein osmanisches Erbe ist man in Pécs nicht stolz. Abgesehen davon gibt es aber auch noch viele schöne Gebäude aus der Kaiserzeit, so dass der Stadtbummel hier schon Spaß macht. Für die Nacht habe ich mir gleich ein ganzes Apartment gemietet (der schwache Forint macht's möglich), ehe es am Morgen vom ebenso schönen Bahnhof auf die 14-stündige Zugfahrt zurück nach Deutschland geht.