GS Diagoras Rodos – APS Zakynthos 2:0

Griechenland, Super League 2 – South (2.Liga)
Mittwoch, 13. April 2022, 15 Uhr
Rodos, Stadio Diagoras 

Ich hatte es ja schon gesagt: Als ich im Dezember am Hafen von Piräus stand und die Fähren auf die griechischen Inseln abfahren sah, fasste ich den Entschluss, demnächst auch mal eine griechische Insel anzusteuern. Bereits an Ostern wird das in die Tat umgesetzt. Warum das Flugzeug statt der Fähre genommen wird und warum es ab Budapest nach Rhodos geht, hatte ich ja schon beschrieben. Also rein ins Vergnügen. Rhodos (auf Griechisch: Rodos) ist die viertgrößte Insel Griechenlands und gleichzeitig die am weitesten vom Festland entfernte. Dahinter kommt nur noch Zypern. Mehr als 400 Kilometer Luftlinie sind es bis Athen, aber weniger als 20 Kilometer bis zum türkischen Festland, das man auf Rhodos an der Ostküste permanent vor Augen hat. Insgesamt hat die Insel gut 100.000 Einwohner, wovon etwa die Hälfte in der gleichnamigen Inselhauptstadt leben. Sie beherbergte eines der sieben Weltwunder des Antike, den Koloss von Rhodos. Die 30 Meter hohe Bronzestatue markierte einst die Einfahrt zum heute noch bestehenden Mandraki-Hafen, in den die Schiffe zwischen den Beinen des Kolosses eingefahren sind. Ein Erdbeben soll ihn zum Einsturz gebracht haben. Der Mandraki-Hafen spielt längst nicht mehr die Rolle wie in früheren Zeiten, heute legen hier nur noch kleine Schiffe an, aber man kann weiterhin die Stelle erahnen, an der die Füße der Statue standen. Ebenfalls im Mandraki-Hafen steht eines der Wahrzeichen der Stadt: die drei weißen Mühlen, die auch schon von den Flippers besungen wurden. Weiß sind die Mühlen inzwischen jedoch nicht mehr. Ein absoluter Traum ist die dahinterliegende Altstadt (in Gänze Weltkulturerbe!), die allerdings nicht typisch griechisch wirkt, sondern eher orientalisch. Das liegt einerseits an mehreren Moscheen, deren Minarette zwischen den Häusern hervorragen. Ich will hier nicht jedes Mal den griechisch-türkischen Konflikt von vor 100 Jahren erklären, aber er ist nun mal sehr wichtig, wenn man die heutige griechische Gesellschaft (und die Geschichte der griechischen Fußballvereine) verstehen will. So war auch Rhodos früher eine Insel, auf der Griechen und Türken zusammenlebten. Nach Ende des Ersten Weltkriegs griff Griechenland das sich im Zerfall befindende Osmanische Reich an, um sich die Gebiete in der heutigen Türkei unter den Nagel zu reißen, die (auch) von Griechen bewohnt waren. Griechenland verlor jedoch den griechisch-türkischen Krieg. Alle Griechen wurden daraufhin aus der Türkei vertrieben, alle Türken aus Griechenland – und damit auch von Rhodos. Zurückgeblieben sind allein ihre Moscheen. Wenn man genau hinsieht, erkennt man noch weitere Spuren, die auf den alten Konflikt hinweisen. Dazu gehört etwa ein altes Schild am Rand der Altstadt von Rhodos-Stadt, auf dem der Abzug der Türken von Zypern gefordert wird. Zypern ist wie gesagt sozusagen die Nachbarinsel von Rhodos, doch da sie bis 1960 britische Kolonie war, gingen die Entwicklungen in Griechenland und der Türkei an ihr vorbei. Auf ihr lebten also weiterhin Türken und Griechen miteinander, ehe 1974 auch dort der Krieg ausbrach. Der Zypernkonflikt. Seither ist die Insel geteilt und nebenan auf Rhodos scheint man sich mit dem Schicksal der Zyperngriechen besonders verbunden zu fühlen. Ebenfalls befindet sich auf Rhodos in der Inselhauptstadt – nicht weit entfernt von unserem Hotel – ein türkisches Generalkonsulat. Dabei geht es wohl weniger darum, türkischen Staatsangehörigen eine behördliche Anlaufstelle zu bieten, sondern um das Zeigen von Präsenz. Vor allem seit Erdogan an der Macht ist, sind die griechischen Inseln vor der türkischen Küste verstärkt ein Thema in der Türkei geworden. Neuerdings erhebt Ankara sogar Anspruch auf einige Inseln, darunter auch Rhodos. Krank. Dass die Altstadt von Rhodos-Stadt nicht typisch griechisch wirkt, liegt aber auch an einem anderen Wahrzeichen, nämlich dem Großmeisterpalast. Aufgrund der strategisch wichtigen Lage auf dem Weg in Richtung Jerusalem (Stichwort: Kreuzzüge), siedelte sich 1306 der Johanniter-Orden auf Rhodos an und baute den mächtigen Großmeisterpalast. Der verpasst der Stadt einen extrem mittelalterlichen Touch. Das gilt besonders für die berühmte Ritterstraße, an der sich die Niederlassungen der einzelnen Landsmannschaften der Johanniter befanden – unter anderem der Franzosen, der Spanier und auch der Deutschen. Die Flaggen dieser Länder wehen dort teilweise noch immer und oft kommt das Geld für die Restaurierung der Gebäude auch von den jeweiligen Ländern. Spoiler: Leider werden wir den Großmeisterpalast aufgrund eines landesweiten Streiks im Tourismussektor nicht von innen zu Gesicht. Das ist dann wiederum typisch griechisch. Aber auch so lohnt sich der Gang durch die Altstadt rund um den Hippokratesplatz, der nach dem antiken Mediziner Hippokrates von der Insel Kos benannt ist, den man durch den hippokratischen Eid kennt. Wir verbringen zunächst einmal drei Tage voll und ganz in Rhodos-Stadt, ehe wir anschließend mit dem Mietwagen – analog zu den Spielorten der anvisierten Spiele – den Rest der Insel erkunden. Jetzt während unseres Osterfestes (die Griechen feiern ihr Ostern zwei Wochen später) befinden wir uns in der Nebensaison und somit lässt sich ganz oben an der Nordspitze der Insel, wo sich der Tourismus-Distrikt von Rhodos-Stadt befindet, ein Apartment für eine ganze Woche recht günstig mieten. In der Nebensaison haben dort noch genügend Restaurant, Imbisse und Supermärkte geöffnet, um eine gute Zeit zu haben. Und dann ist da noch der Fußball – und da kann ich jetzt schon sagen: Rhodos hat mehr zu bieten als man denkt. Außerhalb von Rhodos-Stadt sind es fast nur die Vereine vom Festland, die überall mit Schmierereien bedacht werden. So wie das halt überall in Griechenland ist. Besonders von Olympiakos, dem „Verein der Inseln“ (die in Griechenland ein Fünftel der gesamten Einwohnerzahl ausmachen), sieht man viel, aber auch Panathinaikos ist überdurchschnittlich vertreten. In Rhodos-Stadt finden sich ebenfalls an jeder Straßenecke Fußball-Schmiereien, dort aber mehrheitlich vom lokalen Zweitligisten Diagoras mit seinem 1985 gegründeten Gate 6. Benannt ist der Verein nach dem antiken Faustkämpfer Diagoras, der von Rhodos stammte und der der absolute Insel-Held ist. Sogar der Flughafen von Rhodos trägt seinen Namen. Neben Diagoros gibt es mit dem Rodos FC einen weiteren Zweitligisten, der auch im Diagoros-Stadion spielt, im Stadtbild aber überhaupt nicht vertreten ist. Er hat wohl auch eine Fanszene, aber eindeutig führend ist Diagoras. Einen Drittligisten gibt es auf Rhodos aktuell nicht. In der 4. Liga bilden die Dodekanes-Inseln eine eigene Staffel. Zu ihnen gehören zwölf bewohnte Inseln vor der türkischen Küste, von denen Rhodos die Hauptinsel ist. Die zweite größere Insel ist Kos. Die restlichen Inseln sind im Prinzip Dörfer mit nur einem Verein – wenn überhaupt. Dass kurz vor unserem Osterfest in der 2.Liga eine englische Woche angesetzt ist, spielt uns natürlich sehr in die Karten. Letztendlich ist sie der Grund, diese Tour überhaupt zu diesem Zeitpunkt zu machen. Diagoros hat ausgerechnet ein Heimspiel gegen einen anderen Insel-Verein, allerdings von genau der anderen Ecke des Landes, nämlich Zakynthos. Ich glaube, eine krasse Entfernung gibt es im griechischen Fußball nicht. Auf Zakynthos war ich ja erst im Dezember (hier nachzulesen), weshalb ich weiß, dass es dort auch eine Szene gibt. Mangels Direktflug ist es aber völlig ausgeschlossen, dass die mitkommt. Nicht weiter schlimm, denn dafür bekommen wir die beste Szene von Rhodos zu sehen. Und das in diesem wahnsinnig geilen Stadion am Rand der Altstadt. Gate 6 ist mit etwa 30 Leuten präsent und lungert schon lange vor Anpfiff am Stadion herum. Aber alles cool, in Griechenland ist man gastfreundlich. Das gilt auch oder sogar erst recht für Rhodos. Während Zakynthos als Tabellenletzter auch rechnerisch schon abgestiegen ist, geht es für Diagoras im Tabellenmittelfeld ebenfalls um nichts mehr. Bei saftigen 15 Euro Eintritt sind schätzungsweise 150 Zuschauer da. Das sind nicht viele, aber die, die da sind, sind on fire. Das Spiel wird tatsächlich mit 70 (!) Minuten Verspätung angepfiffen. Zuerst fehlt ein Linienrichter. Als der endlich eintrifft und die Spieler schon einen Kreis auf dem Platz bilden, fliegt ein heftiger Böller auf die Gästespieler, die gerade ihre Auswechselbank beziehen wollen. Ein Spieler bleibt mit Knalltrauma am Boden liegen. Anstatt sich zu beruhigen, geht's dann richtig los. Fast alle von Gate 6 hängen im Zaun, pöbeln und werfen Gegenstände auf die Gästespieler, darunter auch volle Ein-Liter-Flaschen. Was für eine Show. Und die anwesende Polizei juckt's einfach überhaupt nicht. Willkommen in Griechenland! Natürlich steht zu keinem Zeitpunkt zur Debatte, das Spiel nicht anzupfeifen. Der Support ist während des Spiels echt cool und in dieser geilen Hütte macht's gleich doppelt Spaß. Es hat sogar ein Verpflegungsstand geöffnet, der zum fairen Preis Dosenbier an den Mann bringt. Natürlich wird da nichts aus Sicherheitsgründen in Plastikbecher umgefüllt. Durch die 70-minütige Verspätung geht aber leider der geplante Doppler flöten, denn im Anschluss spielt Ialysos (mit der wohl zweitbesten Fanszene der Insel) sein Aufstiegsspiel, das jetzt nur noch frühestens zu Beginn der zweiten Halbzeit erreichbar wäre. Kann man sich schenken, aber sie werden in den kommenden Tagen ein weiteres Aufstiegsspiel austragen.