APS Zakynthos - AE Konstantinoupoleos Athina B 0:0

Griechenland, Super League 2 – South (2. Liga)
Mittwoch, 15. Dezember 2021, 15 Uhr
Zakynthos, Dimotiko Stadio Zakynthos 

Es beginnt einer neuer Abschnitt meiner Griechenland-Tour, denn beginnend mit dem Montag reise ich ohne festen Plan weiter. Für diesen Zeitraum habe ich vorab keine Unterkünfte gebucht, sondern lasse mich einfach treiben. Ein Grund ist, dass ich bei der Planung nicht abschätzen konnte, wie viel Spaß der griechische Fußball unter Corona-Bedingungen macht und ich mir daher möglichst viel Flexibilität bewahren wollte. Und natürlich ist dieses sich treiben lassen auch mal schön. Klar ist, dass der Montag und Dienstag fußballlos sein werden und die beiden Tage für Kultur genutzt werden sollen, ganz konkret für einen Besuch des antiken Olympia. Die wohl berühmteste Ausgrabungsstätte des Peloponnes liegt im Westen der Halbinsel. Irgendwo dort muss ich mir also eine Unterkunft suchen. Welcher Ort es sein wird, ist mir vollkommen egal, nur direkt am Meer soll das Hotel liegen und dazu möglichst günstig sein, also zeige ich mehr oder weniger blind mit dem Finger auf die Landkarte und lande in Kyllini. Näher beschäftigt habe ich mich mit dem Ort im Vorfeld nicht, aber schon beim Hineinfahren wird deutlich, dass es ein eher funktionaler Ort ist, der voll auf den Hafen ausgerichtet ist. Schnell erfahre ich, dass von hier die Fähren auf die Inseln Zakynthos und Kefalonia fahren. Das erklärt die hohe Zahl an Hotels in Kyllini. Und das erklärt auch, warum die momentan so günstig sind, denn jetzt im Winter gibt es keinen Tourismus auf den beiden Trauminseln und somit übernachtet praktisch niemand in Kyllini, das offenbar eine reine Durchgangsstation auf dem Weg nach Zakynthos und Kefalonia ist. Lediglich ein paar Fernfahrer hängen am Hafen herum, wo zwei Cafés geöffnet haben. In meinem Hotel direkt am Hafen bin ich der einzige Gast. Wenigstens hat das Restaurant im Nachbargebäude geöffnet, während in Kyllini ansonsten tote Hose herrscht und so gut wie alles geschlossen hat. Ja, hier gibt es wirklich gar nichts zu sehen. Der Plan für Montag und Dienstag ist damit klar: Ein Tag wird auf Zakynthos verbracht, ein Tag in Olympia. Doch da habe ich die Rechnung ohne die streikfreudigen Griechen gemacht, denn als ich freudig ein Ticket am opulenten Schalter kaufen möchte, heißt es, dass das Personal der Reedereien an beiden Tagen im Streik sei. „Maybe on Wednesday. Maybe“, heißt es nur. Also gut, dann halt nur Olympia. Da ich sowohl für Sport als auch für die Antike schwärme, ist das natürlich Pflichtprogramm auf dem Peloponnes. Alle vier Jahre fanden hier von 776 v.Chr. bis 393 n.Chr. die Olympischen Spiele der Antike statt. Bei ihnen traten die stärksten Griechen in verschiedenen Disziplinen gegeneinander an. Die Olympischen Spiele hatten dabei nicht nur einen sportlichen, sondern ebenso einen religiösen Charakter, denn man huldigte mit ihnen auch den griechischen Göttern, weshalb der Ort neben Wettkampfstätten aus zahlreichen Tempeln bestand. So befand sich im Olympia auch eines der sieben Weltwunder der Antike, die 13 Meter hohe Zeus-Statue des Phidias. Um es kurz zu machen: Mich beeindruckt Olympia sehr. Ich finde antike Ausgrabungsstätten generell sehr spannend, aber hier gibt es obendrauf einen aktuellen Bezug, weil alle zwei Jahre vor den Ruinen des Hera-Tempels in einer aufwendigen Zeremonie mit einem Sonnenspiegel das olympische Feuer entzündet wird. Hinzu kommt jetzt im Winter, dass kaum Besucher da sind und man in aller Ruhe über das Gelände schlendern kann. Für den Groundhopper von besonderem Interesse ist natürlich das Olympiastadion. Mehrere Grounds auf der Welt tragen diesen Namen, aber hier steht das antike Original. 45.000 Zuschauer sollen einst hineingepasst haben, allerdings ist der Ausbau bescheiden, denn es besteht seit jeher aus Graswällen, besaß also nie Tribünen. Einzige Ausnahme: In der Mitte der Geraden stehen ein paar tribünenartig angeordnete Steinreihen, auf denen die Kampfrichter saßen. Auf der gegenüberliegenden Geraden befindet sich zudem ein Steinklotz, auf dem die einzige Frau saß, die im Stadion erlaubt war: die Hohepriesterin von Olympia. Gesagt sei ebenfalls: Von Vorteil ist die niedrige Besucherzahl im Winter mit Blick auf die Parkplatzsituation. Die Ausgrabungsstätte schließt sich direkt an den Ort Olympia an, den es nach wie vor gibt, in dem es aber kaum Parkplätze gibt. Keine Ahnung, wie man das hier im Sommer macht. Eine Anreise ist aber auch mit der Bahn möglich, denn neben der Schienenverbindung zwischen Patras und seinen Vororten hat auch das kleine Teilstück von Olympia über Pyrgos nach Katakolon überlebt. Die Taktung ist aber miserabel, es verkehren pro Richtung nur drei bzw. vier Züge. Der letzte verlässt Olympia bereits um 13.10 Uhr. Wenig spektakulär ist auch der Ort an sich, der natürlich voll auf den Tourismus ausgelegt ist und fast ausschließlich aus Cafés, Tavernen, Souvenirläden und Hotels besteht. Geöffnet hat jetzt im Winter nur kaum etwas.  

Ich bin derweil zu dem Entschluss gekommen, meine Tour umzustellen. Geplant war eigentlich, am Mittwoch nach Ioannina zu fahren, um dort das Erstligaspiel gegen PAOK anzuschauen. Zu normalen Zeiten verspricht das gute Unterhaltung, aber es werden wieder nur Dauerkartenbesitzer ins Stadion gelassen und der Gästeblock geschlossen bleiben. Das kann man sich schenken, so wie man sich aktuell die 1.Liga wohl generell schenken kann. Dann schaue ich bei dieser Tour ab jetzt eben nur noch unterklassigen Fußball. Da trifft es sich gut, dass ich gerade in Kyllini bin, ohnehin nach Zakynthos wollte und der dortige Zweitligist am Mittwoch die zweite Mannschaft von AEK empfängt. Das passt wie die Faust aufs Auge. Bleibt nur noch die Frage, ob der Streik der Reedereien beendet ist, aber da ich am Morgen von meinem Hotelzimmer aus schon deutlich das Rangieren der Lastwagen vernehmen kann, hat sich dieses Problem erledigt. Da ich meinen Mietwagen hier immer direkt an der Wasserkante parke (in Griechenland gibt‘s bei so etwas ja praktisch überhaupt keine Verkehrsregeln), hatte ich aber ohnehin schon gestern Abend gesehen, dass eine Fähre in den Hafen eingefahren ist. Die Überfahrt ist ohne Auto, das den ganzen Tag kostenlos im Hafen stehen bleiben kann, pro Richtung für günstige 9,50 Euro zu haben. Ich nehme gleich die frühe Fähre mit Abfahrt um 7.45 Uhr, so dass es den Sonnenaufgang kostenlos obendrauf gibt. Für einen negativen Corona-Test, der in Griechenland aktuell beim Betreten einer Fähre Pflicht ist, interessiert sich natürlich ebenso niemand wie für die Maskenpflicht. Um die kulturellen Besonderheiten von Zakynthos zu erklären, muss man in die griechische Geschichte schauen – und das ist eine gute Gelegenheit, endlich mal zu Otto von Bayern zu kommen. Doch bevor er auf den Plan trat, haben erst einmal die Griechen die Vorarbeit geleistet, die sich 1821 gegen die Osmanen erhoben und ihre Unabhängigkeit erkämpften. Jedoch wurde zunächst nur ein kleiner Teil des heutigen Griechenlands unabhängig vom Osmanischen Reich, nämlich der Süden. Nach und nach eroberten die Griechen bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs weitere Gebiete und setzten damit die sogenannte Enosis (Vereinigung) um, also die Megali Idea (große Idee) von der Vereinigung aller von Griechen bewohnten Gebiete. Sie sollte 1919 im Angriff auf die heutige Türkei gipfeln. Als ihre eigentliche Hauptstadt betrachten die Griechen schließlich Istanbul (das sie immer noch Konstantinopel nennen), wo mit dem Patriarchen von Konstantinopel bis heute das Oberhaupt der griechisch-orthdoxen Kirche sitzt. Griechenland verlor jedoch den 1923 beendeten Griechisch-Türkischen Krieg. In der Folge gründete sich im gleichen Jahr nicht nur die Türkei, sondern alle Griechen wurden aus der Türkei und alle Türken aus Griechenland vertrieben. Nur eine Insel gibt es noch, auf der Türken und Griechen leben, weil die Enosis sie nicht erreicht hat: Zypern. Doch zurück zu König Otto, denn mit der Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich brauchten die Griechen ein Staatsoberhaupt. Da Griechenland schon damals ein ziemliches Chaos-Land war, konnte man sich nicht auf einen einheimischen Monarchen einigen und so entschied man sich nach langer Diskussion mit den europäischen Großmächten für einen Bayern. Dort fiel die Wahl auf Prinz Otto von Bayern, der 1831 mit seinen erst 16 Jahren König von Griechenland wurde. In Bayern herrschte zu jener Zeit übrigens eine große Bewunderung für Griechenland. 1825 – also erst sechs Jahre zuvor – hatte Bayerns König Ludwig I. angeordnet, dass sich sein Land ab sofort mit Y und nicht mehr „Baiern“ zu schreiben hat. Das Y gilt schließlich als urgriechischer Buchstabe. Ein genauso glühender Griechenland-Fan wurde Prinz Otto von Bayern, der nun zu Othon I. von Griechenland wurde. Er lernte die Sprache und förderte die griechische Kultur. Auf seine Veranlassung hin wurde etwa das Archäologische Museum in Athen gegründet, dem seitdem die wichtigsten historischen Schätze aus ganz Griechenland übergeben werden müssen – darunter auch die goldene Totenmaske des Agamemnon aus Mykene. Gleichzeitig lockte der gute Otto viele Auswanderer aus Deutschland ins Land, die unter anderem ihre Bierkultur mitbrachten. Unter ihnen auch die Brauereifamilie Fix aus dem Spessart, deren Bier es noch heute gibt und das die wohl bekannteste Marke Griechenlands ist. Ihr Ruf litt leider nachhaltig, als die rechtsextreme Militärjunta regierte und ein Mitglied der Regierung in die Brauereifamilie einheiratete. Fix gilt seitdem als Junta-Bier und wird daher von vielen linken Griechen verschmäht. Doch zurück nach Zakynthos, das zusammen mit den anderen Ionischen Inseln kein Teil der ersten Enosis-Welle war. Sie bildeten stattdessen von 1815 von 1864 die sogenannte Republik der Ionischen Inseln mit der Hauptstadt Zakynthos-Stadt. Zuvor gehörten die Inseln zu Venedig und waren daher italienisch geprägt. Die Republik der Ionischen Inseln hingegen war ein britischer Vasallenstaat, Amtssprache war neben Griechisch aber auch Italienisch. Erst 1864 erreichte die Enosis die Ionischen Inseln, die seitdem zu Griechenland gehören. Den italienischen Einfluss kann man dennoch bis heute in  Zakynthos-Stadt spüren. Das fängt schon bei der Architektur an, denn natürlich ist die Altstadt der Inselhauptstadt venezianisch geprägt – inklusive einem Markusplatz mit einem großen Uhrturm wie in allen venezianischen Städten. Leider muss ich mich mangels Mobilität auf Zakynthos-Stadt beschränken, womit ich die atemberaubenden Strände und Steilklippen der Insel nicht zu Gesicht bekomme. Aber auch die Stadt macht genug her, um einen ganzen Tag dort zu verbringen.  

Der italienische Einfluss ist ebenso beim Fußball zu spüren, denn die lokale Gruppe benutzt das Wort Ultras, was in Griechenland sehr außergewöhnlich ist. Hier ist ja ansonsten das Format „Gate xy“ üblich. Verwendet wird von der Gruppe obendrauf der italienische Name der Insel, also Zante statt Zakynthos. Die Ultras Zante stehen glücklicherweise nicht mit auf der einzigen Tribüne des Stadions, sondern oberhalb einer Mauer in der Kurve. Dadurch kann man ihr Treiben bestens von der Tribüne aus verfolgen. Und das lohnt sich durchaus: 90 Minuten Support und ständig wird etwas abgefackelt. Geile Show! Vom Stil her dann aber doch eher griechisch als italienisch. Organisierte Gästefans sind keine da, überhaupt sind es insgesamt nur 100 Zuschauer, aber trotzdem rund 30 Polizisten mit Schildern und allem Pipapo. Dass das in Griechenland nicht ganz unangebracht ist, zeigt sich auch heute wieder, denn mit den wenigen Opas und Familienvätern auf der Tribüne, die AEK-Fans sind und das allenfalls in Form eines Schals zeigen, fangen die dortigen Heimfans mehrmals Theater an. Dass es dabei sogar zu einer Backpfeife kommt, muss man wohl einfach als typisch griechisch bezeichnen. Ähnlich groß aufgefahren wird bei der Begleitung des AEK-Mannschaftsbusses. Um 18.30 Uhr verlässt die letzte Fähre die Insel und auf die wird mit einem großen Polizeiaufgebot auch der Bus gefahren. In Kyllini wartet ebenfalls ein großes Polizeiaufgebot, das den Bus dann die fast 300 Kilometer bis Athen begleiten wird. Bis Korinth bekomme ich das noch leibhaftig mit, weil die Polizei den Bus auf der Autobahn nicht überholen lässt und ich hinterhertuckern muss. In Korinth folgt schließlich meine letzte Nacht auf dem Peloponnes. Morgen Mittag gebe ich den Mietwagen wieder am Athener Flughafen zurück und es beginnt der zweite Teil der Griechenland-Tour.