FC Fessenheim – ES Thaon 1:2

Frankreich, Coupe de France (6. Runde)
Samstag, 27. Oktober 2018, 17 Uhr

Fessenheim, Stade Municipal

Mit Bleifuß geht es hinüber auf die andere Seite des Rheins, wo die bereits sechste Pokalrunde einen noch unbesuchten Ground für mich bereithält. Das Grenzörtchen Fessenheim (2.500 Einwohner) ist international bekannt für sein Kernkraftwerk, das 1978 in Betrieb ging und damit der älteste Meiler Frankreichs ist. Das Ding sorgt insbesondere auf der deutschen Seite des Rheins seit Jahrzehnten für Proteste, die in den 80er-Jahren zu einem Zentrum der Anti-AKW-Bewegung in Deutschland wurden. Bis heute schneiden die Grünen in dieser Gegend überdurchschnittlich gut ab. Selbst bei der Volksabstimmung zu Stuttgart 21 gab es hier mehr Gegenstimmen als in Stuttgart selbst – ein absoluter Sonderfall in Baden-Württemberg. Dass das Kernkraftwerk überhaupt an der Grenze steht, hat aber nicht nur damit etwas zu tun, die Folgen bei einem nuklearen Unfall zur Hälfte auf das Nachbarland abwälzen zu können, sondern auch mit dem Versailler Vertrag: Nachdem das Elsass 1919 wieder zu Frankreich kam, wurde auch der Rhein wieder zur Grenze. Im Versailler Vertrag wurde geregelt, dass Frankreich die Hälfte der Einnahmen, die durch Stromerzeugung mit dem wasserreichen Rhein generiert werden, mit Deutschland geteilt werden müssen. Allerdings gilt das nur für jenen Strom, der direkt am Rhein gewonnen wird, nicht für das Rheinwasser an sich. Was macht also der Franzose? Gräbt parallel zum Rhein einen Kanal, den Grand Canal d‘Alsace, mit dem er zwar den Wasserreichtum des Rheins nutzen kann, die Einnahmen aber nicht mit Deutschland teilen muss. So sind zwischen 1932 und 1959 an diesem „zweiten Rhein“ gleich vier Wasserkraftwerke entstanden – darunter Fessenheim, wo in den 70er-Jahren das Kernkraftwerk quasi angedockt wurde. In Fessenheim selbst merkt man wenig von den sprudelnden Steuereinnahmen, die Kernkraftwerke für gewöhnlich erzeugen. Abgesehen vom kleinen Rathaus ist das Örtchen gänzlich unspektakulär. Das gilt auch für den Sportplatz, auf dem der hiesige Achtligist seine Heimspiele austrägt. Überall zwar Werbung des Staatskonzerns Électricité de France (EDF), der auch das Fessenheimer Kernkraftwerk betreibt, ansonsten geht es aber recht verstaubt auf der Anlage zu. Mehr als dämlich ist, dass das Vereinsheim wegen einer privaten Feier heute geschlossen bleibt. Thaon ist zwar nur ein Fünftligist, wie erwartet zieht so ein Spiel aber trotzdem etwas mehr Zuschauer als Liga-Heimspiele an. Dass die – gerade bei dem Regen – keinen Unterschlupf im Vereinsheim finden, ist schon eine ziemlich Organisationspanne. Sportlich hält mich der Kick ziemlich in Atem, denn bis zur 85. Minute steht es noch 0:0. Eine Verlängerung würde mich das anschließende Spiel in Frenkendorf kosten – das Tour-Programm ist schließlich wieder eng getaktet und nicht auf solche Eventualitäten vorbereitet. Dass der FC Fessenheim dann fünf Minuten vor dem Ende völlig überraschend das 1:0 macht, versetzt nicht nur die einheimischen Zuschauer in Ekstase, sondern auch mich. Selten habe ich mich irgendwo so sehr über ein Tor gefreut. Die Freude hält aber nur kurz, denn in der 88. Minute macht Thaon den Ausgleich. Da verliert man den Glauben an die Welt. Doch der drei Klassen höher spielende Favorit denkt gar nicht daran, sich in die Verlängerung zu retten, macht in der Nachspielzeit kräftig Druck und schießt tatsächlich noch ein zweites Tor. Wie geil ist das denn? Zwar hätte ich eher dem Underdog den Sieg gegönnt, aber wichtig ist in erster Linie, dass hier nach 90 Minuten Schluss ist.