BSV Al-Dersimspor – FSV Spandauer Kickers 2:1

Deutschland, Berlin-Liga (6. Liga)
Sonntag, 10. Juni 2018, 15 Uhr
Berlin, Lilli-Henoch-Sportplatz

Das dritte Mal Al-Dersimspor innerhalb von acht Tagen, jetzt aber endlich mit einem Heimspiel der ersten Mannschaft. Der Lilli-Henoch-Sportplatz im Stadtteil Kreuzberg ist an für sich mit seinen jeweils drei Stufen auf beiden Längsseiten zwar nichts Besonderes, dafür hat es aber auch hier die Umgebung in sich. Das gilt neben der sehr urbanen Lage vor allem für das, was sich hinter den beiden Toren abspielt. Auf der einen Seite steht das Tempodrom mit seiner markanten Zeltdachkonstruktion, auf der anderen die letzten Überreste des Anhalter Bahnhofs. Der imposante Kopfbahnhof war bis zu seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg der wohl wichtigste Bahnhof Berlins und bot Verbindungen nach Österreich, Frankreich und Italien, weshalb er im Volksmund „das Tor zum Süden“ genannt wurde. Der Bahnhofsvorplatz war ein beliebter Treffpunkt der Berliner Oberschicht, im Olympia-Jahr 1936 soll hier alle zwei Minuten ein Zug angekommen sein. Ab 1942 wurde der Anhalter Bahnhof intensiv für die Deportation der Berliner Juden genutzt. An sie erinnert nicht nur eine Gedenktafel an der Ruine des früheren Eingangsportals, die allein vom Bahnhof übrig geblieben ist, sondern auch der Name des 2002 direkt daneben gebauten Sportplatzes. Denn: Lilli Hennoch war eine jüdische Leichtathletin aus Ostpreußen, die mit 19 Jahren nach Berlin zog, für den Berliner SC zehn deutsche Meistertitel holte und vier Weltrekorde aufstellte. 1933 wurde Lilli Hennoch auf Druck der NSDAP aus dem Berliner SC ausgeschlossen, 1942 während der Deportation ins Ghetto Riga zusammen mit allen anderen Zuginsassen von der SS in einem Waldstück erschossen. Der Zug fuhr hier vom Anhalter Bahnhof ab. Da muss man erstmal schlucken. Der Besuch bei Al-Dersimspor zeigt, dass diese Zeiten aber glücklicherweise längst vorbei sind. Auch wenn in Kreuzberg ja generell ein sehr offenes Klima herrscht, haben ich mich selten bei einem Migrantenverein so willkommen gefüllt. Ein freundliches Lächeln an jeder Ecke, keiner geht einem auf die Eier. Am Verpflegungsstand, der direkt neben einem der Zugänge zur unterirdischen, nach wie vor bestehenden S-Bahn-Station des Anhalter Bahnhofs steht, wird sogar Bier verkauft. Zwar nur Becks, zwar nur aus der Flasche, weshalb in Plastikbecher umgefüllt werden muss (ein bisschen Preußentum herrscht sogar bei den Kurden von Al-Dersimspor), aber das ist ja auch kein Weltuntergang. Und selbst wenn: Nach Abpfiff reicht aufgrund der verkehrsgünstigen Lage der zehnminütige Zeitpuffer, um im Späti noch schnell ein paar Flaschen vernünftiges Berliner Bier für die Zugfahrt zurück in den Süden einzusacken.