SV Stuttgarter Kickers – SF Dorfmerkingen 1:3

Deutschland, Württemberg-Pokal (Finale)
Donnerstag, 25. Mai 2017, 12.45 Uhr
Stuttgart, Waldaustadion

„Stuttgart, Stuttgart, wir fahren nach Stuttgart!“, heißt es seit nunmehr drei Jahren im württembergischen Landespokal, dessen Endspiel seitdem fest im Stuttgarter Waldaustadion ausgetragen wird. Keine Spur war bislang von den Hausherren im Pokalfinale, doch in dieser Saison haben die Kickers dann doch mal den Sprung geschaft und damit zum ersten Mal ein „Finale dahoim“. Gegner sind die Sportfreunde Dorfmerkingen aus der siebtklassigen Landesliga, weshalb im blauen Lager fest damit gerechnet wird, nach dem knappen Regionalliga-Klassenerhalt in der Vorwoche heute gleich das nächste Mal feiern zu können. Alles wirkt wie ein normales Heimspiel, selbst der Kickers-Fanshop im Stadion hat geöffnet, und auch die absolute Mehrheit der 5.100 Zuschauer drückt den Blauen die Daumen. Dennoch taucht auch Dorfmerkingen mit einer verhältnismäßig großen Truppe unter dem Stuttgarter Fernsehturm auf: Stattliche zehn Fanbusse haben sich aus dem Ostalbkreis auf den Weg in die Landeshauptstadt gemacht – und das bei gerade einmal 1.100 Einwohnern. Die durchweg in Rot gekleideten Dorfmerkinger werden im eigentlichen Gästeblock untergebracht, in dem sie ein kompaktes Bild abgeben. Mehr noch: Dank Vorsänger und Trommel gibt es sogar durchgängigen Support, der so schlecht gar nicht ist. Da hat man in diesem Gästeblock schon weitaus Schlechteres gesehen und gehört. Allerdings wird auch schnell klar, vorher der Wind weht, denn es wird wirklich eins zu eins das gesamte Gesangsrepertoire des VfB Stuttgart übernommen. Selbst der ganz frische Gassenhauer der Cannstatter Kurve („Wenn Du mich fragst, wer Meister wird...“) wird mehrmals angestimmt, lediglich „Dorfmerking'“ in die letzte Textzeile eingebaut. Es ist ja kein Geheimnis, dass der Großteil der Kickers-Szene aus Stuttgart und dem angrenzenden Ballungsraum kommt, während der VfB in erster Linie der Verein vom Land ist, so dass dieses Phänomen bei Dorfvereinen – gerade bei Spielen gegen die Kickers – immer wieder auftritt. Allerdings selten so offensiv wie hier im Finale. So lassen die Dorfmerkinger von der ersten Spielminute an auch mehrere Anti-Kickers-Lieder verlauten. Die Kickers-Szene – im angestammten und gut gefüllten B-Block untergebracht – zeigt sich heute motivierter als noch in der Vorwoche in Hoffenheim und sorgt über weite Strecken für eine Stimmung, die eines Pokalendspiels würdig ist. Von Vorteil ist in jedem Fall, dass das alte Holzdach, das wegen Einsturzgefahr abgerissen werden musste, nicht mehr da ist. Man hatte schon immer vermutet, dass es sehr schallschluckend wirkt, und verglichen mit früheren Auftritten zu Dach-Zeiten ist die Akustik jetzt tatsächlich deutlich besser geworden. Man kann der Kickers-Szene nur wünschen, dass das Dach noch möglichst lange wegbleibt, auch wenn das Gerippe in der Form etwas seltsam aussieht. Wie schon in der Vorwoche in Hoffenheim werden im B-Block zu Spielbeginn ein paar Fähnchen geschwenkt, ansonsten beschränkt man sich auf eine rein akustische Unterstützung. Fahnen sind nur selten in Bewegung. So gar nicht nach Plan verläuft aus Kickers-Sicht das Spiel: Mit einem 0:1-Rückstand geht es in die Pause, dann steht es nach einem Doppelschlag in der 62. und 64. Minute plötzlich 0:3. Nicht nur die Tatsache, dass zu diesem Zeitpunkt bereits klar ist, dass das Finale verloren und ein Siebtligist eine Nummer zu groß ist, sorgt für reichlich Unruhe im B-Block. Obendrauf stimmen die Dorfmerkinger direkt nach dem 0:3 auch noch VfB-Gesänge an. Aus dem B-Block fliegen zwei Rauchtöpfe, Becher und allerlei Unrat aufs Spielfeld, die ersten Ultras klettern über den Zaun, der Schiedsrichter unterbricht das Spiel und schickt die Mannschaften in die Kabinen. Der absolute sportliche Tiefpunkt ist erreicht, dazu muss man sich von ein paar Eventfans aus der Provinz Provokationen gefallen lassen – da brennen anderswo komplett die Sicherungen durch. Nicht so aber bei den Kickers, wo das große Brüllen wie gewohnt ausbleibt und nach einem kurzen Fauchen wieder Ruhe einkehrt. Nach zehn Minuten kehren die Mannschaften zurück, der B-Block nimmt aus Protest seine Fahne ab und stellt den Support ein, das war's dann auch schon an Ungehorsam. Ganz nett gestaltet hat derweil der WFV dieses Endspiel, das von viel württembergischen Lokalkolorit geprägt ist. Besonders treffend die Musikauswahl bei der Pokalübergabe: „Fischerin vom Bodensee“ statt die üblichen Standard-Malle-Songs – das passt einfach. Nur eines hätte man sich beim WFV in der Tat schenken können: Sachpreise für alle teilnehmenden Spieler des Finales. Das kann man bei einem Bezirks-, aber nicht bei einem Landespokalfinale machen, bei dem Halbprofis und Profis auf dem Rasen stehen. Aber so bekommt hier nicht nur jeder Akteuer ein Baden-Württemberg-Ticket der Bahn in die Hand gedrückt, sondern die Kickers-Spieler als Trostpreis auch noch Eintrittskarten für den Europapark. Und wie via Lautsprecher auch noch explizit hinzugefügt wird: mit Übernachtung! Was daraufhin im Stadion los ist, kann man sich ja gut vorstellen. Häme auf der einen, Gift und Galle auf der anderen Seite. Europapark statt Europapokal.