FC Saverne – AS Ohlungen 1:0

Frankreich, Excellence Bas-Rhin (7. Liga)
Samstag, 20. Mai 2017, 19 Uhr
Saverne, Stade du Haut-Barr

Wer in Baden-Württemberg über den Rhein fährt, der fühlt sich danach ein bisschen wie zwischen den Welten. Form, Farbe und Gestaltung der Verkehrsschilder vermitteln einem eindeutig, in Frankreich zu sein, doch die Namen der Städte und Dörfer, die man darauf liest, klingen fast alle vertraut deutsch. Und während die größeren Städte des Elsasses so französisch sind wie jede andere Stadt in Frankreich auch, unterhalten sich die Leute in den Dörfern und kleineren Städten mehrheitlich auf Deutsch. Ist das hier also eher Frankreich oder eher Deutschland? Eine Frage, die bei fast jedem Fußball-Besuch im Elsass ein bisschen mitschwingt. Ein Blick auf das Saverne (dt.: Zabern) von 1913 gibt da viel Aufschluss, denn kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs musste sich sogar Kaiser Wilhelm II. mit der elsässischen Kleinstadt beschäftigen. Auslöser war die sogenannte Zabern-Affäre, die bis vor den Reichstag ging und zum ersten Misstrauensvotum gegen einen deutschen Kanzler führte. Schon bevor das Elsass als Folge der Niederlage Frankreichs im deutsch-französischen Krieg 1870/71 zusammen mit Lothringen dem Deutschen Kaiserreich angeschlossen wurde, war es Spielball zwischen beiden Ländern. Ursprünglich gehörte das Elsass zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, weshalb es seit jeher deutschsprachig ist. Als in Paris Sonnenkönig Louis XIV. an die Macht kam, der die Fühler im Rahmen seiner Expansionspolitik nach angrenzenden Gebieten ausstreckte, wurde das Elsass bis 1681 nach und nach französisch. Allerdings blieb die Zollgrenze zwischen dem Elsass und dem restlichen Frankreich bestehen, weshalb sich das Elsass weiterhin in Richtung Osten orientierte und deutschsprachig blieb. Auch die Universtiät in Straßburg, an der unter anderem Goethe studierte, blieb deutschsprachig. Anders als in Lothringen sah man es im Elsass daher zunächst deutlich entspannter, als man 1871 zum Deutschen Reich kam. Allerdings durfte sich das neugegründete Reichsland Elsass-Lothringen nicht selbst verwalten und kam auch in die Obhut eines süddeutschen Staates, sondern wurde dem fernen Preußen unterstellt, das ja in Süddeutschland bis heute nicht sonderlich beliebt ist. Das gilt auch für das Elsass. Und die Vorurteile wurden bestätigt: Die preußischen Soldaten, die im Elsass stationiert wurden, spielten sich in der Regel als etwas Besseres auf und behandelten die Einwohner meist als Menschen zweiter Klasse, so dass die Elsässer die Preußen als Fremdherrscher und damit die Zugehörigkeit zum Deutschen Reich als Fremdherrschaft wahrnahmen. In Saverne erreichten die Spannungen 1913 ihren Höhepunkt, weil sich dort der erst 20-jährige preußige Leutnant Günter Freiherr von Forstner – mit Billigung aus Berlin – wie die Axt im Walde aufführte und sich immer wieder mit der Bevölkerung anlegte. Besonders gerne verwendete er das Wort „Wackes“, ein (preußisches) Schimpfwort für Elsässer. Nicht nur die Bevölkerung titulierte er so, auch die eigenen, elsässichen Soldaten mussten bei ihm mit dem Satz „Ich bin ein Wackes“ Meldung machen. Einem wegen einer Messerstecherei verurteilten preußischen Rekruten soll Forstner sogar öffentlich eine Geldprämie für jeden abgestochenen „Wackes“ geboten haben. Sogar Rosa Luxemburg mischte sich in die Debatte ein und prangerte die Zustände in Saverne an, während Kronprinz Wilhelm von Preußen (Sohn von Kaiser Wilhelm II.) ein Telegramm nach Saverne schicken ließ mit folgendem Inhalt: „Immer feste druff!“ Die Fehltritte der preußischen Armee zu Reichslandzeiten sowie die Grausamkeiten im Ersten und Zweiten Weltkrieg führten dazu, dass sich die elsässische Bevölkerung seit 1945 stark von Deutschland distanziert. Die Zeiten der Vorurteile sind zwar vorbei, aber nur die wenigsten Elsässer dürften sich heute noch näher an Deutschland als an Frankreich fühlen. Und so erlebt man gut 100 Jahre nach der Zabern-Affäre auch Saverne, das so weit im Westen des Elsasses liegt, dass die ansonsten kostenfreie Autobahn hier schon gebührenpflichtig ist, als typisch französische Kleinstadt, in deren Kneipen sich aber weiter auf Deutsch unterhalten wird. Einen Blick wert ist die Altstadt, an der direkt der Rhein-Marne-Kanal vorbeifließt: hübsche (allerdings in deutschen Zeiten entstandene) Altbauten, ein kleines Stadtschloss, jede Menge französisches Flair. Weit ab von all dem liegt das Stadion des FC Saverne, das sich auf dem Hügelchen Haut-Barr befindet. Sportlich geht es in der höchsten Spielklasse des Départements Bas-Rhin (Unterelsass) um nichts mehr – außer um die Ehre. Und die ist heute tatsächlich ein Faktor, denn die AS Ohlungen ist zwar als Tabellenletzter bereits vorzeitig abgestiegen und hat erst einen Sieg in dieser Saison eingefahren, den allerdings ausgerechnet im Hinspiel gegen den FC Saverne. So machten die Verantwortlichen der Gastgeber im Vorfeld unmissverständlich klar, dass nichts anderes als ein Sieg zähle. Das wiederum scheint bei der AS Ohlungen ungeahnte Kräfte zu entfachen, so dass es am Ende nur ein knapper 1:0-Sieg für den FC Saverne wird. Natürlich vor einer gewohnt mageren Zuschauerkulisse. Fußball ist in Frankreich nun mal nicht Volkssportart Nummer 1 – und um beim Thema zu bleiben: Das gilt auch fürs Elsass.