New Jersey Copa FC – FC Motown 1:2 n.V.

USA, US Open Cup (1. Runde)
Mittwoch, 10. Mai 2017, 19 Uhr
Holmdel, St. John Vianney High School

Nicht das Stadion, nicht die Fans, nicht die sportliche Konstellation – nein, heute ist ein ganz anderer Grund für den Besuch eines Fußballspiels ausschlaggebend: der Wettbewerb! Wer meint, der Fußball besitze in den USA keine Tradition, dem sei gesagt: Der US-amerikanische Pokalwettbewerb ist 21 Jahre älter als der DFB-Pokal. Bereits seit 1914 wird der US Open Cup ausgetragen, der dabei sogar – und das ist für die USA wirklich nicht typisch – sämtliche Wettbewerbsstandards einhält wie in anderen Ländern auch. Soll heißen: Der US Open Cup ist keine geschlossene Gesellschaft, sondern es nehmen neben den MLS-Vereinen auch Teams aus sieben weiteren Ligen teil. Das ist deshalb so beeindruckend, weil es in den USA sportarten-übergreifend keine Auf- und Absteiger gibt. Hier aber einen Wettbewerb zu haben, der sämtlichen Vereinen offen steht, und der obendrauf auch noch kräftig traditionsreich ist, erklärt die heutige Fahrt hinaus nach New Jersey. Kein Genuss, denn der ursprünglich lateinamerikanisch geprägte Copa Futbol Club hat kein festes Stadion, sondern trägt seine Heimspiele in verschiedenen Stadien über den Bundesstaat New Jersey verteilt aus. Natürlich: Diese Erstrundenpartie findet in der langweiligsten Hütte statt, nämlich im Stadion der St. John Vianney High School in Holmdel – ein Schul-Stadion mit Standard-Blechtribüne, wie es sie zu Tausenden in den USA gibt. Hinzu kommt, dass Holmdel ein derart unbedeutendes Nest ist, dass es weder an das Schienen- noch an das Busnetz angeschlossen ist. Glück im Unglück: Im Nachbarort Hazlet steht ein Bahnhof der New Jersey Transit, der jede Stunde von der unterirdischen New Yorker Penn Station (obendrauf wurde der Madison Square Garden gebaut) aus angefahren wird. Und da die High School von Holmdel am Ortsausgang in Richtung Hazlet liegt, trennt Bahnhof und Stadion ein gerade mal 30-minütiger Fußmarsch. Der offeriert ein völlig gegensätzliches Amerika als das, was man im multikulturellen, hektischen New York zu sehen bekommt: Vor fast jedem Haus weht patriotisch eine USA-Flagge, an den Laternen kleben Donald-Trump-Sticker, der Rasen in den Vorgärten ist akurat geschnitten. Man sieht während der 30 Minuten Fußmarsch wirklich keinen einzigen Menschen auf der Straße, dafür parkt in jeder Einfahrt mindestens ein fetter SUV. Mindestens einer. Unglaublich, dass da ein so gar nicht ins Bild passender Europäer mit dickem Gepäck auf dem Rücken keinen Polizei-Einsatz auslöst. Sämtliche USA-Klischees werden dann auch im Stadion bestätigt. Höhepunkt: Nach 20 Spielminuten muss der Stadionsprecher darauf hinweisen, dass die Zuschauer beim „Soccerball“ den Ball – anders als beim Baseball – wieder zurückgeben müssen. Weil bis dahin jede auf die Tribüne geschossene Kugel unter eine Jacke gewandert ist, sind einfach keine Spielbälle mehr vorhanden. Wirklich nervig ist hingegen, dass man eine Horde Nachwuchsspielerinnen zum Fanclub gemacht hat, der über die volle Spielzeit sein obskures Programm durchzieht. So wird etwa nach jedem Foul an die Heimmannschaft mit erhobenem Zeigefinger ein monotones „you can't do that“ intoniert. Auch sportlich ist das hier eine ganz gruselige Geschichte. Schon allein die für den American Football gedachten, penetranten Spielfeldmarkierungen, die die völlig unauffälligen für den Fußball gezogenen Linien mit dem bloßen Auge nahezu unerkennbar machen, wirken extrem unprofessionell. Das Gestochere darüber ist aber keinen Deut besser. Zu allem Überfluss geht das Gebolze auch noch in die Verlängerung, obwohl der Copa Futbol Club als NPSL-Team (die National Premier Soccer League ist die vierthöchste Spielklasse im US-amerikanischen Liga-System) auf dem Papier klar favoriert ist. Hingegen der irischstämmige FC Motown, der teilweise auch unter dem Namen „Motown Celtics“ firmiert, ist mehr oder weniger eine Theken-Mannschaft und spielt in der Garden State League – eine Hobby-Liga im Bundesstaat New Jersey, der ja den Beinamen „Garden State“ trägt. Diese Hobby-Ligen bekommen im US Open Cup ebenfalls einen Startplatz, für den sie sich im Vorfeld qualifizieren können. Dieses Mal gelang das dem erst 2012 gegründeten FC Motown, der damit zum ersten Mal in seiner noch jungen Vereinsgeschichte im US Open Cup vertreten ist. Sich schon bis in die Verlängerung zu retten wird wie ein Sieg gefeiert, dann aber tatsächlich als Sieger vom Platz zu gehen, ist eine kleine Sensation. So viel sei aber an der Stelle verraten: In der eine Woche später ausgetragenen 2. Runde ist für den FC Motown Endstation. Das gilt für den Schreiber dieser Zeilen nicht, denn es geht schnellen Schrittes zurück zum Bahnhof von Hazlet: Noch gerade so den Zug nach New York erwischen, dort innerhalb von 20 Minuten von der Penn Station zum Busbahnhof flitzen und rein in den Nachtbus nach Kanada.