FC Eisenhüttenstadt U19 – SG Michendorf U19 1:1

Deutschland, A-Junioren-Landesklasse Brandenburg – Staffel Süd
Samstag, 17. Juni 2023, 11 Uhr
Eisenhüttenstadt, Stadion der Hüttenwerker – B112er-Platz

Vorgestern die Edelstahlkampfbahn in Krefeld, jetzt Eisenhüttenstadt. Es geht also nahtlos weiter mit deutscher Stahl-Geschichte. Eisenhüttenstadt (1988 noch 53.000 Einwohner, jetzt 25.000) ist eine Planstadt, die unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg direkt an der Oder angelegt wurde. Die SED beschloss 1950, an dieser strategisch günstigen Lage das sogenannte Eisehüttenkombinat Ost (EKO) aus dem Boden zu stampfen, für deren Arbeiter (16.000 in der Spitze) ebenfalls eine eigene Stadt aus dem Boden gestampft wurde. Wirtschaftlicher Hintergrund: Auf dem Gebiet der DDR gab es kaum Steinkohlevorkommen, weshalb vor 1945 die deutsche Eisen- und Stahlproduktion vor allem auf das Ruhrgebiet und sein Umland konzentriert war. Zum Vergleich: Die Roheisenproduktion pro Einwohner lag 1936 auf dem Gebiet heutigen alten Bundesländern bei 292 Kilo, auf dem Gebiet der neuen Bundesländer bei 12 Kilo. Mit der deutschen Teilung wurde die DDR abgeschnitten von den für die Stahlproduktion notwendigen Rohstoffen aus dem Ruhrgebiet und somit angewiesen auf Rohstoffe aus den sozialistischen Bruderstaaten (Steinkohle aus Polen und Eisenerz aus der Ukraine), die allesamt im Osten lagen. Daher wurde das EKO als größtes Metallurgiekombinat der DDR im äußersten Osten des Landes gebaut, wobei auch die Lage an der Oder als Wasserweg und an der Bahnlinie nach Polen entscheidend war. Eisenhüttenstadt wurde als sozialistische Vorzeigestadt angelegt und sollte eigentlich nach dem kommunistischen Urvater Karl Marx benannt werden. Die Benennung sollte am 14. März 1953 zum 70. Todestag von Karl Marx vollzogen werden. Da jedoch neun Tage zuvor Stalin starb, erhielt die wichtigste Industriestadt der DDR den Namen Stalinstadt und stattdessen wurde kurzerhand Chemnitz in Karl-Marx-Stadt umbenannt. 1961 wurde Stalinstadt mit dem Nachbarort Fürstenberg vereinigt und im Zuge der Entstalinisierung in Eisenhüttenstadt umbenannt. Von Bielefeld aus ist die Stadt mit dem trotzdem noch sehr eigenwilligen Name natürlich deutlich besser zu erreichen als von Baden-Württtemberg aus und so verbringe ich gleich einen ganzen Tag in Eisenhüttenstadt, um alle nennenswerten Grounds abzuhaken. Dies sind das Stadion der Hüttenwerker, sein Nebenplatz und der Dynamo-Sportpark. Es gibt auch noch den Aufbau-Sportplatz, auf dem einst die SG Aufbau Eisenhüttenstadt gespielt hat, auf diesem findet derzeit aber leider kein regelmäßiger Spielbetrieb statt. Da das Stadion der Hüttenwerker und der Dynamo-Sportpark weiter als 15 Gehminuten auseinanderliegen, somit die Spiele zu Fuß nicht pünktlich erreicht werden können und es innerhalb von Eisenhüttenstadt wenig überraschend keinen funktionierenden Busverkehr gibt (Montag bis Freitag fährt der letzte Bus gegen 18.30 Uhr, am Wochenende gar keiner), muss ich mir als mit der Bahn angereister Fußball-Touri eine alternative Lösung einfallen lassen – und dabei stoße ich auf den Fahrradverleih der örtlichen Touristeninformation. Ich bin zunächst vollkommen überrascht, dass Eisenhüttenstadt überhaupt eine Touristeninformation besitzt. Deren Öffnungszeiten stimmen zwar überhaupt nicht mit meinen Planungen überein, aber nach einem sehr unkomplizierten Mail-Verkehr mit der überaus freundlichen Frau von der Touristeninformation wird kurzerhand eine Fahrrad-Übergabe außerhalb der Öffnungszeiten vereinbart. An dieser Stelle ganz herzlichen Dank dafür und ein großes Lob! Es gibt nicht viele Touristen in Eisenhüttenstadt, aber um die, die da sind, wird sich wirklich rührend gekümmert! Sogar zwei E-Bikes hat die Touristeninformation im Verleih (25 Euro pro Tag) und da ich noch nie mit einem solchen gefahren bin, nutze ich die Gelegenheit und probiere das mal aus. E-Bike-Premiere in Eisenhüttenstadt! Die Frau wünscht mir noch viel Spaß auf dem Oder-Neiße-Radweg. Wenn sie wüsste, dass ich die Stadtgrenze von Eisenhüttenstadt nicht ein einziges Mal verlassen werde… Vor dem 11-Uhr-Spiel des FC Eisenhüttenstadt nutze ich die Zeit, um mich – nun auf zwei Rädern – in dieser absolut spannenden Innenstadt umzuschauen. Grundsätzlich ist Eisenhüttenstadt wirklich anders und ich hatte in noch keiner anderen deutschen Stadt so wenig das Gefühl, dass ich mich tatsächlich in Deutschland befinde. Alles wirkt sehr osteuropäisch, man sieht Trabis und Ladas, überall gibt es noch Spuren vom alten EKO. Das Stahlwerk ist übrigens weiterhin in Betrieb, seit 2006 unter dem Namen des belgisch-niederländischen Arcelor-Mittal-Konzerns. Es hat natürlich nur noch einen Bruchteil an Beschäftigten im Vergleich zu DDR-Zeiten. Dass Eisenhüttenstadt seit der Wende über die Hälfte seiner Einwohner verloren hat, macht das deutlich. Das ist selbst für ostdeutsche Verhältnisse heftig und auch das zeigt, dass Eisenhüttenstadt einfach anders ist. Richtig interessant ist aber auch die ganze Grundstruktur der Stadt. Eisenhüttenstadt wurde wie gesagt einst als sozialistische Vorzeigestadt angelegt und zumindest im Zentrum stehen mehrere Arbeiter-Prunkbauten im Stil der 50er-Jahre. Recht schnell hat man gemerkt, dass man diesen Baustil finanziell nicht durchhalten konnte, baute zunächst kostengünstigere Wohngebäude und ging schließlich wie überall in der DDR zu normalen Plattenbauten über. Prunkstück ist das zwischen 1953 und 1955 errichtete Haus der Parteien und Massenorganisationen, das heute das Rathaus von Eisenhüttenstadt ist. Da werden die 50er-Jahre noch einmal lebendig, insbesondere durch das sozialistische Wandmosaik im Eingangsbereich. Ähnliche Mosaike mit sozialistischer Botschaft sind aber auch anderswo in der Innenstadt zu finden – genau wie weitere repräsentative Gebäude aus dieser Zeit. Ich kann es nur wiederholen: Wie in Deutschland fühle ich mich hier nicht. Und das meine ich nicht negativ. Natürlich besitzt Eisenhüttenstadt auch noch ein Fußballstadion mit viel DDR-Flair: das Stadion der Hüttenwerker. Genau das ist mein Hauptziel des heutigen Tages. Der Plan sieht so aus: 11 Uhr A-Jugend auf dem Nebenplatz, dann rüber zum 13-Uhr-Spiel beim FSV Dynamo und schließlich soll um 15 Uhr das Heimspiel der ersten Mannschaft des FC Eisenhüttenstadt im Stadion der Hüttenwerker angepfiffen werden. Doch schon als ich um kurz vor 11 Uhr mit dem E-Bike ins Stadion der Hüttenwerker (alternativer Name: Sportanlagen Waldstraße) hineinfahre, wird die Laune getrübt, denn die A-Jugend des FC Eisenhüttenstadt spielt nur auf dem sogenannten B112er-Platz, der der Nebenplatz vom Nebenplatz ist. Kein gutes Zeichen, zumal damit klar ist, dass die Angaben des FC Eisenhüttenstadt auf fussball.de nicht zuverlässig sind. Der B112er-Platz hat keinen Ausbau und bis auf die etwas altertümlich wirkende Bewässerungsanlage, die an den Spielfeldrand gestellt wurde, keinerlei Besonderheiten.