K Sint-Truidense VV – KVC Westerlo 0:1

Belgien, Division 1A (1.Liga)
Sonntag, 19. Februar 2023, 19.15 Uhr
Sint-Truiden, Stadion Stayen

Mit dem Abpfiff in Etterbeek hätte das Belgien-Wochenende eigentlich beendet sein können und ich wäre abends noch mit dem Zug zurück nach Bielefeld gekommen. Doch das Abendspiel der 1.Liga in Sint-Truiden kann ich mir nicht entgehen lassen, zumal es quasi genau auf dem Heimweg liegt, auch wenn das eine zusätzliche Übernachtung in Belgien bedeutet. Mit Blick auf das Stadion-Hotel in Sint-Truiden ist das aber gar nicht schlimm. Genau genommen sollte man den Ground gar nicht ohne die Hotel-Übernachtung machen – aber dazu gleich mehr. Zunächst muss die Hunger-Frage geklärt werden, denn der Magen knurrt. In Brüssel war a) keine Zeit und b) ist es relativ schwierig, dort eine Friterie zu finden, weil es fast nur noch Dönerläden gibt. Hier draußen in Flandern, wo die Friterie nun Frituur heißt, sieht das aber anders aus und so lacht mich gleich auf dem Bahnhofsvorplatz von Sint-Truiden die „Frituur Station“ an, in der ich mir schnell Frikandel Spezial und Kaassouffle reindrücken kann. Dann aber wartet das Hotel Stayen im Stadion der Koninklijke Sint-Truidense Voetbalvereniging auf mich, das mir einen wirklich unvergesslichen Abend bereiten wird. Spannend vor allem die Frage: Wie organisiert man dort Übernachtungen während Heimspielen? Und es wird wirklich kurios. Vorsichtshalber hatte ich mir im Vorfeld ein Onlineticket für das Spiel geholt, aber wie sich herausstellt, war das herausgeschmissenes Geld. Denn als ich mich endlich bis zur Rezeption vorgekämpft habe, wohin man mich eine halbe Stunde vor Anpfiff erst gar nicht durchlassen will, weil die in einem „sensiblen Bereich“ liegt, drückt man mir die Zimmerkarte in die Hand – und die öffnet tatsächlich sämtliche Türen in diesem Stadion. Zunächst einmal bringe ich mein Gepäck aufs Zimmer, freue mich über den Blick aufs Spielfeld durch mein Zimmerfenster hindurch und stelle fest, dass hier inklusive der Dusche alles in den Vereinsfarben Gelb und Blau gehalten ist. Sehr stimmig! Als ich dann mal ausprobiere, welche Türen sich mit meiner Zimmerkarte denn so alles öffnen lassen, stehe ich plötzlich im VIP-Raum. Die erste Halbzeit schaue ich mir von der Haupttribüne aus an und bekomme einen relativ gut gefüllten Heimblock zu sehen, der für flämische Verhältnisse auch ganz gut Stimmung macht. Die ist in Flandern halt immer sehr britisch geprägt, was mir nicht so gefällt. Während drei Seiten des Stadions neugebaut sind, steht hinterm Tor noch eine kleine alte Tribüne, die als Gästeblock dient. Die rund 400 Gäste aus Westerlo werden dort aber nicht in den eigentlich vorgesehenen Stehplatzbereich im Unterrang eingepfercht, sondern sie bekommen den mit Sitzplätzen ausgestatteten Oberrang in voller Breite zur Verfügung gestellt, den sie gut füllen. Auch dort durchgehender, aber britischer Support. In der Halbzeitpause gehe ich auf mein Zimmer, um ein Bier zu trinken, und probiere weitere Türen mit meiner Zimmerkarte aus. Ja, und dann stehe ich plötzlich im Konferenzraum des Vereins und kann mich da in aller Ruhe umsehen. Auffallend sind die vielen dort aufgestellten Japan-Fahnen und schon in der ersten Halbzeit ist mir die viele japanische Bandenwerbung ins Auge gestochen. Fünf Japaner stehen aktuell im Kader des Vereins und so manch ein bekannter japanischer Spieler wie Shinji Kagawa (spielte u.a. bei Borussia Dortmund) und Daichi Kamada (u.a. bei Eintracht Frankfurt) trug hier das gelb-blaue Trikot. Welche Verbindungen genau es da zwischen Sint-Truiden und Japan gibt, ist nicht genau ersichtlich, aber so ein Blick hinter die Kulissen bzw. in den Konferenzraum ist in der Hinsicht auf jeden Fall spannend. Auch lässt sich von hier aus eigentlich sehr entspannt das Spiel durch die großen Fensterfronten verfolgen – mit Dosenbier aus dem eigenen Rucksack. Aber irgendwann werden dann mal die sturzbesoffenen Heimfans auf der anderen Seite der Fensterscheibe auf mich aufmerksam und da die mich für einen Offiziellen halten (klar, mit Dosenbier in der Hand), klopfen sie ständig gegen die Scheibe und machen Grimassen. Das nervt mich nach ein paar Minuten so sehr, dass ich wieder auf die Tribüne gehe. Richtiger Instinkt, denn wie ich später merke, hat sich inzwischen die Security auf die Suche nach einem Eindringling im Konferenzraum gemacht. Aber wenn das so ein großes Problem ist, dann sollte man mal dringend die Codierung der Zimmerkarten überprüfen! Ernsthaft dramatisch wird es dagegen nach Abpfiff, denn im Heimblock turnt ein Fan auf der Balustrade herum, verliert das Gleichgewicht, stürzt die knapp vier Meter hinunter auf den Boden und bleibt regungslos liegen. Sanitäter eilen sofort herbei, bekommen den Mann aber nicht wieder fit. Das alles spielt sich direkt unter meinem Hotelzimmer ab, aber da ich in solchen Fällen kein Gaffer bin, ziehe ich die Vorhänge zu und wünsche dem Betroffenen in Stille eine schnelle Genesung. Am nächsten Morgen geht es mit dem ICE mit Umstieg in Köln zurück nach Bielefeld. Leider hatte ich überhaupt nicht auf dem Schirm, dass der nächste Morgen Rosenmontag ist. Ich bin kein Katholik, weder in meiner baden-württembergischen Heimatregion noch in Bielefeld wird die fünfte Jahreszeit gefeiert und für mich ist das daher ein Montag wie jeder andere. Aber auch ich lerne in diesem Moment: An einem Rosenmontag am Kölner Hauptbahnhof umsteigen zu müssen ist wahrlich eine ganz besondere Herausforderung.