TDSV Kornwestheim – FSV Oßweil 1:7

Deutschland, Kreisliga B Enz/Murr – Staffel 1 (10. Liga)
Sonntag, 30. September 2018, 17 Uhr
Kornwestheim, Sportplatz Jahnstraße

Das Wochenende im Stuttgarter Norden endet bei Württembergs jüngestem Verein – und zwar beim Türkisch-Deutschen Sportverein Kornwestheim, erst gegründet im Juli 2018. Der Club soll laut einem Artikel in der Kornwestheimer Zeitung (Link) ein Auffangbecken sein „für Fußballer, die in den anderen Clubs der Stadt nicht so zum Zug kommen, lange verletzt oder suspendiert waren, aus welchen Gründen auch immer“. Klingt nach einer ziemlichen Chaos-Truppe, die unbedingt besucht werden muss. Hintergrund der Vereinsgründung dürften Streitigkeiten innerhalb der türkischen Fußballgemeinde sein, denn angeblich soll den späteren TDSV-Mitgliedern angeboten worden sein, dritte Mannschaften des Türkischen SC Kornwestheim zu werden – verbunden mit der Warnung, als eigener Verein keinen Sportplatz zu finden. Der TDSV ist trotzdem fündig geworden und kickt jetzt an der Jahnstraße, direkt am Kornwestheimer Güterbahnhof. Hier kickte früher die Eisenbahner-SG Kornwestheim, die 2006 zusammen mit dem FV Salamander Kornwestheim (Werksverein der Salamander-Schuhfabrik) und TV Kornwestheim im neuen Großverein SV Salamander Kornwestheim aufging. Dass Kornwestheim einen eigenen Eisenbahnerverein besaß, ist nicht verwunderlich, denn der Kornwestheimer Güterbahnhof ist mit 66 Gleisen der zweitgrößte in Baden-Württemberg (hinter Mannheim). Es ist ein Stück württembergische Eisenbahngeschichte: Da in Stuttgart aufgrund der Kessellage kein Platz für solch ein sechs Kilometer langes Ungetüm ist, suchte man außerhalb der Stadtgrenze nach einem geeigneten Platz. Schon in den 1890er-Jahren war der alte Stuttgarter Centralbahnhof (das heutige Kino Metropol in der Bolzstraße am Schlossplatz) überlastet, weshalb eine Umgehungsstrecke nach Kornwestheim gebaut wurde, an deren Ende schließlich der 1918 eröffnete Güterbahnhof gebaut wurde. Welche Rolle der heute noch spielt, erkennt man auch daran, dass der Kornwestheimer S-Bahnhof bis heute den Zusatz „Pbf“ (für Personenbahnhof) führt. Spuren der ESG Kornwestheim gibt es derweil an der Jahnstraße noch zu genüge. Dazu gehören lauter Bahnsignale, die aus dekorativen Zwecken rund um das Spielfeld gruppiert wurden. Auch das ESG-Vereinsheim ist noch in Betrieb, in dem unter anderem alte Fotos aus der Vereinsgeschichte und Wimpel hängen. Der TDSV Kornwestheim wirkt bei so viel Eisenbahn ein wenig deplatziert, bringt aber mit türkischem Tee, Köfte und aus den Lautsprecherboxen wummernden Türk-Pop doch etwas eigenes Flair auf den Platz. Auch dem Ruf als Chaos-Truppe macht die Mannschaft auf dem Spielfeld alle Ehre.