FC Viktoria Berlin – SV Babelsberg 2:1

Deutschland, Regionalliga Nordost (4. Liga)
Samstag, 15. April 2017, 13.30 Uhr
Berlin, Stadion Lichterfelde

Oster-Tour 2017, dritte Etappe: Berlin. Die Hauptstadt geizt am Karsamstag mit Ansetzungen, nur vier Spiele stehen auf dem Zettel. Zwei davon finden dafür in der Regionalliga statt und sind auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut miteinander verknüpfbar. Es geht zunächst zu einem Schwergewicht der deutschen Fußball-Geschichte: 1894, 1908 und 1911 wurde die Berliner Viktoria deutscher Meister. Vom DFB anerkannt sind allerdings nur die Titel von 1908 und 1911, das reicht aber dennoch zu einem offiziellen Stern über dem Vereinswappen. Süffisant aus Stuttgarter Sicht ist die Meisterschaft von 1908, bei der die Viktoria im Endspiel gegen die Cickers Stuttgart (wie die Kickers damals noch hießen) antrat. Laut damaligen DFB-Statuten hätte das Finale auf neutralem Platz in einer neutralen Stadt stattfinden müssen, wurde aber auf dem Germania-Platz in Berlin ausgetragen. Mehr als 100 Jahre lang fechteten die Kickers den 3:1-Sieg der Viktoria an, ehe es im Oktober 2010 im Rahmen der Feierlichkeiten zum 111-jährigen Vereinsbestehen der Kickers zum lange ersehnten (natürlich nicht offiziellen) Wiederholungsspiel kam. Den Berliner Titelgewinn von 1908 fechtete man auf Stuttgarter Seite schon lange nur noch mit einem Augenzwinkern an und während die Viktoria mit ihrer erster Mannschaft antrat, ließen die Kickers ein Promi-Team mit Guido Buchwald und Co. auflaufen. Die Viktoria gewann somit auch die Wiederholung (5:3), somit ist diese Akte endgültig geschlossen. Inzwischen hat die himmelblaue Viktoria mit ihren Nachbarn vom Lichterfelder FC fusioniert, was sich im Vereinsnamen zwar nicht wiederspiegelt, dem Wappen jedoch einen roten Streifen des LFC eingebracht hat. Spielstätte ist weiterhin das traditionsreiche Stadion Lichterfelde am Ostpreußendamm, das Ende der 20er-Jahre gebaut wurde. Der Fußball-WM 2006 ist es zu verdanken, dass die alte Hütte ein ordentliches Facelifting bekommen hat, war sie doch Trainingsstätte der Nationalmannschaften von Brasilien und Schweden. Von seinem traditionellen Charakter hat das Stadion jedoch nichts eingebüßt. Da der heutige Gegner Babelsberg heißt, ist für reichlich Polizei gesorgt, die stilecht mit klapprigen Berliner Wannen anrückt und mit ihnen das halbe Stadionumfeld zuparkt. Viel Aufwand für gerade einmal 492 Zuschauer, von denen etwa 150 im Gästeblock stehen. Zwar kommen beide Vereine aus unterschiedlichen Bundesländern, beide Stadien liegen aber nur gut 20 Kilometer auseinander, weshalb gerade die zahlreich anwesenden Hopper (geschätzt 50) mit etwas mehr Betrieb im Gästeblock gerechnet hätten. Hinter der Auswärtsfahne des Filmstadtinfernos 1999, einer größeren Hayir-Fahne („Hayir“ ist das türkische Wort für „nein“; an diesem Wochenende findet das Verfassungsreferendum der Türkei statt) sowie ein paar kleineren Fahnen ist dafür 90 Minuten etwas los – melodische Gesänge, denen es naturgemäß etwas an Lautstärke fehlt. Auf Berliner Seite hat sich ein kleiner Support-Haufen vor der historischen Tribüne versammelt, der nicht weiter auffällt. Vermessen, dass man im Stadionheft von sich behauptet, beim DFB-Pokal-Spiel gegen Eintracht Frankfurt „stimmungsmäßig durchaus mit den 10.000 Frankfurtern mithalten“ konnte. Soll man da lachen oder heulen?
An der Stelle ein Übernachtungstipp für Berlin: Etwa 10 Gehminuten vom Stadion Lichterfelde entfernt befindet sich das Soeht7. Es handelt sich dabei um das ehemalige Frauengefängnis in der Soehtstraße, das inzwischen zu einem ungewöhnlichen Hotel umgebaut wurde. Man schläft tatsächlich hinter dicken Türen in den ehemaligen Zellen und schaut nach draußen durch Gitterstäbe. Der Preis stimmt für Berliner Verhältnisse.