Donnerstag, 6. April 2017, 19.30 Uhr
Stuttgart, Bezirkssportanlage Neckarpark (Platz 4)
Es ist historischer Fußball-Boden, auf
dem der FK Sarajevo Stuttgart seine Heimspiele bestreitet, denn genau
diese Stelle markiert die Wiege des Stuttgarter Fußballs. Als die
damals noch junge Sportart auch in der württembergischen Hauptstadt
Fuß fasste und sich in den 1890er-Jahren die ersten Vereine
gründeten, waren Fußballplätze noch Mangelware. Eine der wenigen
Freiflächen war der Cannstatter Wasen, der damals noch ein
Exerzierplatz war, auf dem die württembergischen Armee bis zum
Ersten Weltkrieg ihre Paraden abhielt. Zudem findet auf dem Wasen
seit 1818 das Cannstatter Volksfest (im Volksmund meist nur „Wasen“
genannt) statt, das nach dem Münchner Oktoberfest das zweitgrößte
Volksfest der Welt ist. Neben Armee und Schaustellern blieb jedoch
auf dem 55 Hektar großen Areal genug Platz, um auch Fußball spielen
zu können. Laut einem Artikel der „Stuttgarter Zeitung“ soll
bereits 1865 zum ersten Mal auf dem Wasen Fußball gespielt worden
sein, womit er der älteste Fußballplatz Deutschlands wäre.
Belegt ist das nicht – dafür jedoch, dass der Wasen fast allen Stuttgarter
Traditionsvereinen, die in den 1890er-Jahren gegründet wurden, als
erste Heimat diente. Mit einer Ausnahme, denn ausgerechnet der
Verein, der heute wie kein anderer mit dem Wasen in Verbindung
gebracht wird, ist kein Wasen-Kind – nämlich der VfB Stuttgart. Er
(oder besser gesagt: seine beiden Vorgängervereine) verstand sich
zunächst als Rugby-Verein und verbot seinen Mitgliedern explizit das
Fußballspielen. Dies führte übrigens 1899 zu einem Bruch, weshalb
einige enttäuschte Mitglieder, die unbedingt Fußball spielen
wollten, sich abspalteten und einen eigenen Verein gründeten, allein
dessen Name schon eindeutig die Affinität zum Fußball
unterstreichen sollte: die Stuttgarter Kickers. Auch die Kickers
bestritten ihre ersten Spiele auf dem Cannstatter Wasen, landeten
aber ab 1905 auf der Waldau bei Degerloch, wo sich ebenfalls ein
Exerzierplatz der Armee befand. Der Platz auf der Waldau ist noch
heute Heimat der Kickers und damit – trotz mehrerer Umbauten –
das am längsten von einem Verein genutzte Stadion in Deutschland.
Der 1912 aus einer Fusion aus dem Cannstatter Kronen-Klub und dem FV
Stuttgart hervorgegangene VfB, der das Fußballspielen nun doch
erlaubte, ist erst seit 1933 auf dem Wasen beheimatet. In jenem Jahr
wurde das eigens für deutsche Turnerfest gebaute Neckarstadion
eingeweiht, dessen Hauptnutzer der VfB seither ist. Seine
Fußballtradition hat sich der Cannstatter Wasen bis heute erhalten.
Hier befinden sich mit dem Neckarstadion und dem Stadion Festwiese
nicht nur zwei der drei großen Stuttgarter Stadien, sondern auch die
Bezirkssportanlage Neckarpark, auf der quasi seit den 1890er-Jahren non-stop weitergespielt wird. Den
Namen Neckarpark trägt das Areal allerdings erst seit 2005. Obwohl
die gesamte Fläche am nördlichen Neckarufer zum Cannstatter Wasen
gehört, wurde in den vergangenen Jahrzehnten von vielen nur noch jener Teil als
Wasen bezeichnet, auf dem das Volksfest stattfindet. Als 2005 die
aufwändige Neugestaltung des Areals beschlossen wurde (u.a. mit dem
Bau der Porsche-Arena und dem Neubau des Stadions Festwiese),
erfolgte für diesen Teil die Umbenennung. An der Bezirkssportanlage
ist die Modernisierung allerdings spurlos vorbeigegangen.
Deutschlands vielleicht ältester Sportplatz, den man durch ein unscheinbares Tor mit der Adresse Mercedesstraße 88 betritt, ist ein holpriger Acker,
der nicht einmal über ein Stankett verfügt. Ein sehr tristes Bild. Das können auch der Blick auf das Neckarstadion, das futuristische Mercedes-Benz-Museum und die Flutlichtmasten des Stadions Festwiese nur unwesentlich aufbessern.
Hauptmieter des Platzes mit der Nummer 4 ist der FK Sarajevo
Stuttgart, der seit seiner Gründung im Jahr 1977 die Palette der
ex-jugoslawischen Migrantenvereine im Fußballbezirk Stuttgart
erweitert. Mit Ausnahme von Slowenien und Montenegro hat inzwischen
jede ehemalige jugoslawische Teilrepublik im Bezirk Stuttgart ihren eigenen
Verein – also neben Bosnien auch Serbien, Kroatien, Mazedonien und der Kosovo. Vereinswappen und Trikots des FK Sarajevo Stuttgart sind dabei nahezu identisch dem Original
aus der bosnischen Hauptstadt nachempfunden. Interessant: Erst vor
vier Tagen waren die Ultras des originalen FK Sarajevo (Horde Zla)
ein paar Meter weiter zugegen, nämlich im Gästeblock des
Neckarstadions, wo ihre Zaunfahne hing. Grund: Die Horde Zla ist mit
den Ultras der SG Dynamo Dresden befreundet, die am vergangenen
Sonntag in der 2. Bundesliga beim VfB gastierte.