Frankreich, Championnat du Dimanche Matin
Sonntag, 4. Juni 2023, 9.30 Uhr
Paris, Stade Georges Carpentier
Dritter Tag dieser kleinen Frankreich-Tour – und endlich wird es mal mehr als nur ein Spiel. Etwas amüsiert gehe ich beim Verlassen des Hotels an einem Plakat vorbei, das zum Protest gegen die in Frankreich geplante Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 64 Jahre aufruft. Das ist hier ja gerade ein großes Thema, aber als Deutscher kann man da nur müde lächeln. Ja, in Frankreich kann man einfach so oft nur noch mit dem Kopf schütteln. Kommen wir zu erfreulicheren Dingen: Championnat du Dimanche Matin, meist nur CDM genannt. Diese offizielle Sonntagmorgen-Meisterschaft gibt es nur in manchen Ecken Frankreichs – und gerade in Paris bzw. in der Île-de-France (die Départements rund um Paris) genießt sie eine große Tradition. Sogar PSG stellt eine CDM-Mannschaft. Sie ist ein bisschen vergleichbar mit dem Freizeitfußball in Deutschland, wobei die Besonderheit ist, dass die Spiele immer recht früh am Sonntagvormittag angepfiffen werden. Ein Segen für den Groundhopper, zumal meist in ansehnlichen Stadien gespielt wird. Eine weitere Besonderheit in Paris ist, dass es in Paris selbst praktisch überhaupt keine Fußballplätze gibt. Alle Stadien – selbst der Parc des Princes – liegen direkt auf der Stadtgrenze. Diese Stadtgrenze ist ohnehin von ganz besonderer Bedeutung, denn es gab hier ja nie großflächige Eingemeindungen, weshalb Paris an sich mit „nur“ 2,1 Millionen Einwohner relativ klein ist im Vergleich zu der sie umschließenden Île-de-France mit insgesamt 12,5 Millionen Einwohnern. Zwar ist alles ein großer Klumpen mit einem gemeinsamen ÖPNV-System, aber für den sozialen Status ist es schon entscheidend, ob man diesseits oder jenseits der Pariser Stadtgrenze lebt. Und auch für die Höhe der Miete. Die Stadtgrenze an sich ist seit Jahrhunderten unverändert und dort, wo früher die Stadtmauern standen, verläuft heute die Ringautobahn (Boulevard périphérique), die damit auch eine soziale Grenze ist, weil sie die banlieue vom ach so glamourösen Paris trennt. An die Stadtmauern erinnern bis heute die Namen der Ausfahrten des Boulevard périphérique, die nach den früheren Stadttoren benannt sind. Und weil die Mauern einst so breit waren, war hier nicht nur Platz für die Autobahn, sondern auch für die ganzen Pariser Stadien, die aus diesem Grund allesamt auf der Stadtgrenze liegen. Das gilt auch für das nahe des Stadttores Porte de Choissy stehende Stade Georges Carpentier, das zu den Austragungsorten des Championnat du Dimanche Matin gehört. Wuchtige Tribüne, dazu reichlich Hochhäuser im Hintergrund – ganz starkes Ding! Wenig Zuschauer, aber trotzdem ein geöffneter Kiosk und damit ein richtig guter Start in den Tag.