VfB Fichte Bielefeld – 1.FC Gievenbeck 0:3

Deutschland, Westfalenliga – Staffel 1 (6.Liga)
Donnerstag, 31. März 2022, 19.30 Uhr
Bielefeld, Stadion Rußheide 

Flutlichtspiel auf der Rußheide – da bin ich natürlich wieder dabei. Irgendeiner muss ja schließlich hingehen, denn mittlerweile herrscht wirklich Geisterstimmung im Stadion. Lediglich 40 Zuschauer werden heute bei absolutem Sauwetter gezählt. Das ist schon beängstigend. Sicherlich, unter der Woche kommen kaum oder (wie in diesem Fall) gar keine Gästefans mit. Es muss unter normalen Umständen trotzdem möglich sein, dass ein Verein, der ganz gezielt sein Viertel anspricht und sich als Verein des Bielefelder Ostens betrachtet, eben dort auch Fans mobilisieren kann. Doch Pustekuchen. Der Grund dafür liegt meiner Meinung nach in der 1999 vollzogenen Fusion von VfB und Fichte begründet, die die Fans beider Vereine nicht akzeptierten und es deshalb heute praktisch keine Rentner auf der Rußheide gibt, während diese bei fast jedem anderen Verein einen festen Stamm unter den Zuschauern ausmachen. VfB und Fichte waren zwar sehr ähnliche Vereine mit ähnlichem Publikum. Der VfB war zwar etwas erfolgreicher als die Spvgg Fichte, aber beide verstanden sich bewusst als Arbeitervereine aus dem Bielefelder Osten, was ein Sammelbegriff für die früheren Arbeiterviertel im Osten der Innenstadt ist – im Gegensatz zum bürgerlichen Westen, aus dem die bürgerlich geprägte Arminia kommt. Schon vor der Fusion spielten VfB und Fichte (seit 1970) auf der Rußheide und so war man sich in den 90ern einig, dass ein Zusammenschluss sinnvoll sei, um sich nicht weiter gegenseitig Zuschauer und Sponsoren wegzunehmen. Der Schuss ging nach hinten los, wie man heute sehr deutlich sieht. Die Fusion haben die Fans beider Vereine nie verziehen. Die einzigen Konstanten sind der Fanblock mit seinen 15 bis 30 Leuten sowie Angehörige von Spielern, aber Rentner, die noch von erfolgreichen alten Zeiten erzählen könnten, gibt es leider keine. Etwas schlechter gefüllt als sonst ist heute auch der Fanblock von VfB Fichte. Es handelt sich nahezu ausschließlich um alternativ geprägte Leute, die erst nach der Fusion auf die Rußheide gekommen sind, die den Verein als etwas Neues betrachten und über ihn die Verbundenheit zum Bielefelder Osten ausleben. Mal wird der VfB besungen, mal Fichte, mal beide. Oft wird mit dem Begriff Fichte als Baum gespielt, etwa beim Schlachtruf „Fichte, Tanne, Nadelholz“ (nach dem auch das Vereinsheim benannt ist) oder dem Gesang „Eine Straße mit vielen Fichten“. Dabei war gar nicht der Baum der Namensgeber der Spvgg Fichte Bielefeld, sondern der Philosoph Johann Gottlieb Fichte, nach dem in Deutschland auch andere Arbeitervereine benannt sind. Sehr passend finde ich dagegen die Gesänge über den Bielefelder Osten, die der Fanblock immer wieder anstimmt. Heute bleibt aber selbst ihm die meiste Zeit die Spucke weg, denn mit der 0:3-Niederlage gegen den 1.FC Gievenbeck werden die ohnehin nur noch theoretisch vorhandenen Chancen auf den Klassenerhalt fast vollständig zerstört. Man muss sich wohl damit abfinden: Nächste Saison geht’s in die Landesliga und dann wird für die meisten Auswärtsspiele Ostwestfalen nicht mehr verlassen.