Panachaiki GE – Panegialios GS 2:0

Griechenland, Gamma Ethniki – Group 4 (3. Liga)
Sonntag, 12. Dezember 2021, 15 Uhr 
Patras, Stadio Kostas Davourlis 

Der Sonntag beginnt mit dem ersten kulturellen Glanzlicht dieser Tour: Mykene. Die etwa 25 Kilometer nördlich von Nafplio gelegene Ausgrabungsstätte ist seit 1999 Weltkulturerbe und einer der touristischen Magnete des Peloponnes. Mykene existierte von der Bronzezeit bis etwa 1200 v.Chr. und war in dieser Zeit eine der wichtigsten Städte der Welt. Prunktstück ist das Löwentör. Das noch recht gut erhaltene Stadttor wurde 1250 v.Chr. gebaut und gilt (genauer gesagt: das über ihm angebrachte Relief) als das älteste Denkmal Europas. Das ist hier also so etwas wie der Beginn der Zivilisation. Einfach nur total faszinierend, vor solch einem Meilenstein der Menschheitsgeschichte zu stehen, zumal das Löwentor vergleichsweise gut erhalten ist. Zweiter Höhepunkt ist das sogenannte Schatzhaus des Atreus, das eine Art kleine Pyramide ist und etwas abseits der eigentlichen Ausgrabungsstätte liegt. In ihm könnte wohl mit Agamemnon der berühmteste Herrscher Mykenes bestattet worden sein. Agamemnon war Anführer der griechischen Heere im Trojanischen Krieg. Sagenumwobenen ist auch seine aus purem Gold bestehende Totenmaske. Das im Museum der Ausgrabungsstätte gezeigte Exemplar ist allerdings nur eine Kopie. Das Original wird im Archäologischen Museum in Athen gezeigt. Veranlasst hatte das König Otto von Bayern, aber zu dem kommen wir wie gesagt später. Die Ausgrabungsstätte öffnet um 8 Uhr und ich bin völlig überrascht, dass ich um diese Uhrzeit der einzige Besucher bin. Wahnsinn, eine ganz Stunde lang gehört Mykene mir ganz alleine. Erst gegen 9 Uhr tauchen dann mal zwei weitere Besucher auf. Die Zahl wird den ganzen Vormittag lang einstellig bleiben. Im Sommer (und vor der Corona-Pandemie) rollen hier wohl minütlich die Busse ein. Gesagt sei: Mit griechischer Antike à la Akropolis und Olympia hat Mykene nichts zu tun, aber deswegen ist es nicht minder faszinierend, eben weil alles so unvorstellbar alt ist.   

Nach dem überaus interessanten Vormittag in Mykene geht es weiter nach Patras, ganz im Norden des Peloponnes. Patras ist mit gut 200.000 Einwohner die drittgrößte Stadt Griechenlands, rangiert aber weit hinter den beiden Millionenstädten Athen und Saloniki. Von hier aus führt eine wichtige Fährverbindung nach Italien und auch ans Schienennetz ist der kleine Bahnhof von Patras angebunden, der sich direkt am Hafen befindet. Allerdings wurde die direkte Zugverbindung nach Athen schon längst gekappt. Es fährt hier nur eine Art S-Bahn in die Vororte. Dass ich bei der großen Fußballauswahl am heutigen Sonntag in Griechenland ausgerechnet einen Drittligisten ansteuere, ist natürlich kein Zufall, denn in Patras ist mit Panachaiki kein gewöhnlicher Drittligist zu Hause. Der Verein hat eine große Vergangenheit hinter sich und war einst der erste griechische Verein außerhalb von Athen und Saloniki, der es in den Europapokal geschafft hat. Es war der UEFA-Cup der Saison 1973/74, in dem man in der ersten Runde den Grazer AK eliminierte und damit der einzige griechische Verein war, der in die zweite Runde einzog, da Panathinaikos gegen den OFK Belgrad ausschied. Dort war aber gegen Twente Enschede Endstadion. Bei dieser Vergangenheit wundert es nicht, dass Panachaiki eine respektable Fanszene hat. Das merkt man auch sofort, wenn man durch die – extrem heruntergekommene – Stadt geht, denn während sonst auf dem Peloponnes wie gesagt Olympiakos und Panathinaikos den Ton angeben, sieht man in Patras nicht eine Schmiererei und nicht einen Aufkleber der Athener Vereine. Alles ist fest in der Hand von Panachaiki und oft liest man an den Wänden den Spruch: Stin Patras mono Panachaiki (in Patras nur Panachaiki). Die drei Gruppen des Vereins stehen im Gate 3 und heißen Nortenos (benannt nach kalifornischen Latino-Gangs), Navajo und Axaioi. Alle drei sind politisch linksextrem. Das ist in Griechenland nicht unüblich, denn das Land wurde von 1967 bis 1974 von einer rechtsextremen Militärdiktatur beherrscht, die bis heute nachwirkt. Während in einst sozialistischen Ländern die Jugend gerne mal nach rechts schwenkt, ist das in Griechenland eben genau umgekehrt. So bin ich heute auch in Patras zufällig an einem Anarcho-Treff vorbeigegangen, bei dem die Tür offen stand. Unglaublich, was für Typen da drin saßen. Nicht viel anders geht es im Stadion zu. Auch das ist – passend zur Stadt – vollkommen am Arsch. Die drei Gruppen stehen mit insgesamt etwa 50 Mann auf der überdachten Haupttribüne. Durchgehender Support, viel Pyro, viel Böller, der wie Dynamit wirkt. Der Supportstil ist typisch griechisch, auch wenn ich hier italienische Einflüsse vermutet hätte. Nach Lecce ist es schließlich nicht viel weiter als nach Athen. An der Stadionbar gibt's auch Bier und Schnaps, aber ich belasse es landestypisch beim Frappé. Den Abend verbringe ich in Patras, auch wenn es hier nicht allzu viel zu sehen gibt – natürlich abgesehen vom leckerem griechischen Essen und diesem herrlichen Lebensgefühl.