Griechenland, Super League (1. Liga)
Donnerstag, 16. Dezember 2021, 19.30 Uhr
Pireas, Stadio Neapolis
Der zweite Teil der Tour beginnt – und der spielt sich allein in Athen ab. Also ein letztes Mal mit dem Mietwagen von Korinth nach Athen, die Karre am Flughafen abgeben und dann sind wieder Metro und Bus das Fortbewegungsmittel für die kommenden Tage. Als Basis dient wie üblich der zentrale Omonia-Platz. Das Viertel dort war einst eine Vorzeigeecke von Athen, hat sich inzwischen aber zum absoluten Gegenteil entwickelt. Drogen, Prostitution und Krimininalität sind am Omonia angesagt, der in Reiseführern auch schon mal als "No Go Area" bezeichnet wird. Zwei große Vorteile hat der Platz aber: Zum einen befinden sich hier noch aus der Zeit, als man elegante Gegend war, massenweise Hotels, die es nun zum schmalen Taler gibt. Zum anderen fahren zwei der drei Athener Metrolinien den Omonia an und auch viele Buslinien halten hier, so dass man schnell hin- und schnell wegkommt. Und auch sonst gibt es alles, was man so braucht: Kioske, Supermärkte, Souvlaki-Buden. Was aber machen mit dem heutigen Tag? Plan A ist das Erstligaspiel in Piräus zwischen Ionikos und AEK. Aber auch hier wieder das gleiche Problem: Ticketverkauf nur an Dauerkarteninhaber und Mitglieder. Vollkommen klar, dass sich der Spaß damit ohne Gästefans abspielen wird, obwohl das vor der Corona-Pandemie eines dieser Spiele in Griechenland mit zugelassenen Gästefans gewesen wäre. Das Schöne in und um Athen ist: Irgendeine Sportveranstaltung ist jeden Tag, womit es mit dem Basketball-Europapokalspiel zwischen Panathinaikos und dem FC Barcelona auch einen Plan B gibt. Aber erst einmal geht’s nach Nikaia, um ein bisschen die Lage zu beobachten und vielleicht doch ein Ticket zu ergattern. Nikaia in Piräus ist die zweitgrößte Siedlung Griechenlands, die nach dem Krieg 1922 für griechische Türkei-Flüchtlinge hochgezogen wurde. Vor 100 Jahren war das hier alles noch Feld und Wiese. Genau wie AEK ist Ionikos ein Verein, der einst von griechischen Türkei-Flüchtlingen gegründet wurde. Trotzdem kein Grund, dass beide Vereine in irgendeiner Weise freundschaftlich miteinander verbunden wäre. Das sieht man ja nur zu gut an der extremen Rivalität zwischen AEK und PAOK, die sogar vom gleichen Istanbuler Verein abstammen. Ohnehin ist Ionikos eigentlich in ganz anderen Dimensionen unterwegs, weil er kein klassischer Erstligist ist. Die Erzrivalen sind in unteren Ligen zu finden, was vor allem für Proodeftiki aus der unmittelbaren Nachbarschaft gilt. Dennoch hatte auch Ionikos schon sportliche Sternstunden, was besonders für die Saison 1999/2000 gilt. Damals bestritt man nicht nur sein erstes und bisher einziges Europapokalspiel (gegen den FC Nantes), sondern zog am Saisonende auch ins griechische Pokalfinale ein. Gegner war dort übrigens AEK. Umso passender, dass AEK auch der Gegner heute Abend ist. Dass der AEK-Anhang nicht anrücken wird, wird spätestens rund ums – mal wieder herrlich mitten in der Stadt gelegenen – Stadion klar. Zwar sind schon die ersten gepanzerten Polizei-Busse da, aber wenn da wirklich etwas im Anmarsch wäre, würden auch Wasserwerfer und Räumfahrzeuge aufgefahren werden. Schon vier Stunden vor Anpfiff lungert die Szene von Ionikos (Rangers Gate 3) herum und weil das sehr vielversprechend aussieht, entschließe ich mich spätestens jetzt, doch ins Stadion zu wollen – auch wenn das mit Gästefans besser wäre. Bleibt die Ticket-Frage. Ich hatte im Vorfeld zwar eine E-Mail an den Verein geschrieben, aber wenig überraschend keine Antwort erhalten. Also einfach mal in die winzige Gammel-Geschäftsstelle unter der Tribüne schlappen und auf die Tränendrüse drücken. Ja, die E-Mail sei zwar gekommen, man habe aber nicht die Zeit gehabt, um zu antworten. Wie, keine 17 Sekunden Zeit gehabt? Ja, da müssen sie selbst ein bisschen über sich lachen. Diskussion hin und her, am Ende soll ich meine Telefonnummer hergeben und man werde mich eine halbe Stunde vor Anpfiff anrufen, um mich ins Stadion zu holen. Um das mal vorweg zu nehmen: Es wird nie einen Anruf geben. Das ist schließlich Griechenland. Für mich heißt das: Noch drei Stunden bei Bier, Souvlaki und geilen Desserts in Stadionnähe verbummeln, dann mal am inzwischen hermetisch abgeriegelten Stadion zu einem möglichst wichtig aussehenden Eingang vorkämpfen. Dort steht ein Typ mit einer Liste und auf dieser Liste steht tatsächlich ganz am Ende mein Name. Mit Bleistift geschrieben. Man kommt also immer irgendwie rein. Das ist schließlich Griechenland. Es folgt dann der bislang beste Support dieser Tour. Schon Wahnsinn, was die Rangers da mit vergleichsweise wenigen Leuten abreißen, obwohl ihr Team nicht eine einzige Torchance hat. Dazu dieses saugeile Stadion! Und überall Leute auf den Balkonen der umliegenden Häuser. Zum ersten Mal bei dieser Tour übrigens auch andere Deutsche da, was aber nicht wundert, denn am Vortag haben die Basketballer von Bayern in Athen gespielt. Richtig schön wird es noch einmal nach dem Spiel an der Metrostation Nikaia. Ich bin schon mit einem Fuß auf der Rolltreppe nach unten, als ich aus der Kirche am Platz den Gesang von Mönchen wahrnehme. Also zurück mit dem Fuß, ab auf den weihnachtlich geschmückten Platz und einfach mal zehn Minuten diesen spirituellen Moment genießen. Ja, auch das ist schließlich Griechenland.