Sonntag, 10. März 2019, 21 Uhr
Kuala Lumpur, Stadium Bola Sepak Kuala Lumpur
Der zweite Tag in Malaysia wird
zunächst ganz und gar dem Sightseeing gewidmet – und da gibt es in
Kuala Lumpur wirklich einiges zu sehen! Nicht schwer zu erkennen ist,
dass Malaysia lange Zeit britische Kolonie war. Viktorianischer
Baustil an jeder Ecke, gepaart allerdings mit arabischen und
asiatischen Elementen. Das gilt vor allem um die Gegend rund um die
Jamek-Moschee (wo auch mein Hotel liegt), vor der sich die beiden
Flüsse Gombak und Klang vereinen. Diese Stelle gab der Stadt auch
ihren Namen, denn Kuala Lumpur bedeutet übersetzt „schlammige
Flussmündung“. Mit dem Sultan Abdul Samad Building und seiner
britischen Turmuhr sowie dem alten Hauptbahnhof befinden sich unweit
der Jamek-Moschee auch die wohl berühmtesten viktorianischen Gebäude
der Stadt. Weiterer touristischer Hotspot ist der alte Bazar, in
dessen Obergeschoss ein netter Food Court ungebracht ist. Die
eigentliche Hauptattraktion von Kuala Lumpur steht jedoch außerhalb
der Stadtgrenze: die Batu Caves. Das Höhlensystem ist ein
Hindu-Heiligtum und Pilgerstätte. Die mehr als 40 Meter hohe,
goldene Murugan-Statue vor den Höhlen sieht man schon aus weiter
Entfernung. Daneben führen dann 272 steile und bunt angemalte Stufen
in das Höhlensystem, in dem mehrere Tempel stehen. Zwar sind eine
Menge Touristen aus aller Welt unterwegs, aber eben auch jede Menge
Hindus, die dort ihren Riten nachgehen. Der ganze Ort wirkt wirklich
wie aus der Zeit gefallen. Hinzu kommt, dass auf dem Felsen
zahlreiche Javaneraffen leben, die keine Scheu vor Menschen haben und
mit denen man automatisch in Berührung kommt. Natürlich werden die
Affen auch vom Müll angezogen, der aber wohl weniger von den
Touristen, sondern von den Hindus und insbesondere den
Standbetreibern hinterlassen wird. Ist schon ziemlich verdreckt dort.
Dennoch wird an den Batu Caves wieder deutlich, wie multikulturell
Malaysia und auch die ganze Region ist – und wie liberal. Es ist
eben ein ganz anderer Islam als in Arabien. Per Taxi geht es nach
ausführlicher Besichtigung der Batu Caves frühzeitig zum
Stadion. Das Aufeinandertreffen der Fußballverbände von Kuala
Lumpur und Selangor kann man durchaus als Derby betrachten und da
schwingt irgendwie immer die Angst mit, es könnte mit den Tickets
eng werden. Zumindest dann, wenn man das Land noch nicht so gut
kennt. Es ist aber gar nicht so leicht, den Taxifahrern das
gewünschte Fahrtziel klarzumachen. „Stadium Bola Sepak“ steht
auf meinem Zettel, den ich ihnen unter die Nase halte. Die schauen
aber nur doof und wollen wissen, welches ich meine. Um Himmels
Willen, gibt es denn mehrere Stadien mit dem gleichen Namen? Wie sich
dann herausstellt, heißt „Bola Sepak“ übersetzt einfach nur
„Fußball“. Wenn man in Berlin einem Taxifahrer einen Zettel mit
der Aufschrift „Fußballstadion“ zeigt, wird er wohl ähnlich
verdutzt schauen. Ein zufällig vorbeilaufender Passant mit
Selangor-Trikot kann das Missverständnis aber im Handumdrehen
aufklären. Rund ums Stadion ist dann zwei Stunden vor Anpfiff
einiges los, allerdings sind fast ausschließlich Selangor-Fans
unterwegs. Auch die vielen Fanartikel-Stände haben ausschließlich
Selangor-Zeug im Sortiment. Sogar die Ultras von Selangor betreiben
einen eigenen Stand. Schon jetzt ist klar: Für den Verband von Kuala
Lumpur wird es ein Auswärtsspiel im eigenen Stadion. Tickets gibt‘s
noch problemlos an der Kasse, lediglich die Gästekurve wird wohl
relativ voll werden – aber da hat der Deutsche ja eh nichts zu
suchen. Somit bleibt Zeit, den vor dem Stadion aufgebauten Food Court
mit seinen rund 25 Fressständen zu erkunden. Auch hier wird wieder
klar: Malaysia besitzt beim Fußball eine sehr reichhaltige
Esskultur. Nudeln, Hühnchenspieße, Gebäck – bei allen Spielen
wurde bislang wesentlich mehr geboten als etwa in Deutschland. Ist
auch kein Problem, sich Essen und Getränke von den Ständen mit ins
Stadion zu nehmen. Dort füllt sich dann wie erwartet die Gästekurve
recht gut, während das restliche Stadion erschreckend leer bleibt.
Auch hier kommen die Mannschaften wieder zehn Minuten vor Anpfiff auf
den Rasen, damit die drei Nationalhmynen (Kuala Lumpur, Selangor,
Gesamtmalaysia) in voller Länge abgespielt werden können. Besondere
Aktionen gibt es von den beiden Fanlagern nicht, ohnehin legen die
rund 30 Kuala-Lumpur-Ultras hinter der „Droogs“-Fahne während
dem Spiel oft mal eine längere Pause ein. Anders sieht es bei den
Selangor-Ultras aus, die durchgehend supporten und bei denen auch
fast durchgehend Fahnen geschwenkt werden – allesamt optisch an die
Nationalflagge von Selangor angelehnt. Auffallend ist auch, dass auf
den Fahnen der Gästefans – als Symbol der Reisefreudigkeit – das
Wappen der British Rail zu sehen ist. Da merkt man wieder, dass
Malaysia mal britische Kolonie war. Ansonsten hat der Support-Stil
aber wenig mit der früheren Kolonialmacht zu tun, sondern erinnert
auch hier wieder eher an Marokko und Tunesien, allerdings mit einem
ganz eigenen Trommelrhythmus. In der Schlussphase tauchen dann
plötzlich ein paar gepanzerte Polizisten auf der Tartanbahn vor der
Kuala-Lumpur-Kurve auf, wo sich aufgrund der Niederlage etwas Unmut
breitmacht. Kein Wunder: Zur Halbzeit führte Kuala Lumpur noch mit
2:0. Am Dach wird ein Spruchband mit den letzten
Derby-Ergebnissen herunterlassen, die allesamt für Kuala Lumpur gesprochen haben. Sinn der Aktion ist nicht ganz klar. Als aber die ersten fünf,
sechs Kuala-Lumpur-Ultras auf den Zaun gehen, schreitet die Polizei sowieso
sofort zur Tat. Goldig, dass danach sofort
ein paar Zuschauer auf mich zukommen und sich dafür entschuldigen,
dass ich so etwas sehen muss.