Sonntag, 5. November 2017, 14 Uhr
Naunhof, Sportplatz Clade
Roter Stern Leipzig wurde 1999
gegründet und versteht sich bewusst als politischer,
links-alternativer und antifaschistischer Sportverein. Klar, dass das
in Sachsen nicht nur Befürworter auf den Plan ruft, vor allem bei
Auswärtsspiel jenseits der Leipziger Stadtgrenze. Oder wie man bei
Roter Stern sagt: im braunen Hinterland. Vor zwei Wochen war es beim
Auswärtsspiel in Schildau wieder so weit, die Ereignissen gingen
sogar bundesweit durch die Presse. Nachzulesen unter anderem hier und
hier. Auf Schildau folgt für Roter Stern das Auswärtsspiel in
Naunhof und da ist natürlich glasklar, dass das dem cane sciolto am
dritten Tag seines Deutschland-Trips serviert wird. Die Nacht in
Connewitz war wieder lang, wo vor allem die immer noch hängenden
Plakate mit der Mobilmachung für Schildau unsere Aufmerksamkeit
bekommen haben. Somit geht es am Morgen zwar hundemüde, aber doch
gespannt mit dem Zug nach in den Leipziger Vorort Naunhof. Dort
erwartet uns zwei Stunden vor Anpfiff genau das Bild, wie wir uns die
ostdeutsche Provinz so vorstellen: kein Mensch auf der Straße, keine
Bar geöffnet, dafür reichlich Anti-Merkel-Aufkleber an den
Laternenpfählen. Getrübt wird die Einöde nur von der jetzt schon
stark präsenten Polizei, die alle paar Minuten mit ihren
Einsatzwagen Runden dreht. Wenigstens hat der örtliche
Dönerladen geöffnet, der sogar Alkohol verkauft, so dass wir uns
notgedrungen eben dort bei zwei, drei Bierchen niederlassen. Da im
Stadtplan gleich drei Sportplätze eingezeichnet sind, steuern wir
zunächst die beiden falschen an, ehe wir verwundert feststellen,
dass wir zum weit abgelegenen Teil mitten im Wald laufen müssen. Der
Versuch, ein Taxi aufzutreiben, scheitert leider eklatant, denn egal
wen wir auch fragen – wir ernten in den Vorgärten nur müde
Lächeln: „Taxi? Gibt's hier nicht!“ Also geht’s bei strömendem
Regen quer durch den Wald zum Sportplatz Clade, der nach knapp einer
halben Stunde Fußmarsch erreicht ist. Dort sind beinahe mehr
Polizisten als Zuschauer anwesend, was für eine recht angespannte
Grundstimmung sorgt. Dabei sind die rund 40 Roter-Stern-Fans durchweg entspannt. Wie üblich nehmen die sich bei
ihren Gesängen meist selbst aufs Korn und auch die Zaunfahnen
sprechen eine eher humorvolle Sprache. Unser Favorit: „Rote Allez
Fraktion“. Abgesehen von etwa zehn Proll-Jugendlichen, die ständig
giftig in Richtung des provisorischen, am Rand der Tribüne mittels
Bauzäunen eingerichteten Gästeblocks starren, die aber auch ständig
von der Polizei umzingelt werden, ist auf Heimseite wirklich niemand
dabei, der auch nur ansatzweise den Eindruck macht, die Konfrontation
zu suchen. Typisches Amateurfußball-Publikum, wobei die
angesprochene Verlegung des Lok-Heimspiels von Freitag auf heute
sicherlich ein Stück weit dazu beitragen könnte, dass sich das
Naunhofer Problemvolk in diesem Moment in Leipzig aufhält. Einziger
Akteur, der hier ganz offensichtlich auf Hektik aus ist, ist die
Polizei. Obwohl es in der ersten Halbzeit absolut friedlich bleibt,
schickt sie alle Zuschauer, die auf der Gegenseite stehen, „aus
Sicherheitsgründen“ hinüber auf die Tribüne – also direkt
neben den Gästeblock. Logisch. Ganz logisch. Abgesehen davon passiert hier aber
wirklich absolut nichts und man kann zurückgelehnt das bunte Treiben im
Gästeblock beobachten. Dem cane sciolto gefällt's ebenfalls, auch
wenn er sich hier und dort ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit
gewünscht hätte. Ein Sonderlob geht an die wirklich sympathischen
Gastgeber vom SV Naunhof, die uns – nachdem wir nach Abpfiff noch
zwei Stunden lang im Vereinsheim versumpfen – kurzerhand im
Privatauto zum Bahnhof fahren. Erlebt man auch nicht alle Tage.