Académie Pierre-Emerick Aubameyang – Badji FC 0:0

Gabun, Division 3 – Estuaire (3. Liga)
Freitag, 24. November 2017, 16 Uhr
Akanda, Stade d'Angondjé – annexe 2

Endlich, endlich, endlich klappt es mit Fußball in Gabun. Es ist das nunmehr schon vierte Mal innerhalb von zwei Jahren, dass ich in diesen zentralafrikanischen, sowohl am Äquator als auch am Golf von Guinea gelegenen Staat fliege, den die meisten Leute in Deutschland überhaupt nicht kennen oder ihn wahlweise mit Gambia, Ghana oder Guinea verwechseln. Warum immer wieder Gabun? Das ist schnell erklärt: Meine Freundin ist Gabunerin. Dass es trotzdem erst im vierten Anlauf mit Fußball in Gabun klappt und dann auch nur ein Drittligaspiel wird, beschreibt schon mal ganz gut, was in diesem Land so abgeht. Eigentlich sollte die Ligue 1 von Gabon (wie der Staat in der Landessprache Französisch heißt) bereits im Oktober beginnen, doch Woche für Woche wird der Liga-Start nach hinten geschoben. Grund dafür sind finanzielle Probleme, denn der nationale Fußballverband, der im Februar erst Gastgeber des Afrika-Cups war, ist mal wieder notorisch pleite. Man könnte jetzt sagen, dass das halt typisch Afrika sei, aber es gibt eben doch eklatante Unterschiede zwischen den einzelnen afrikanischen Staaten. Etwa zwischen Südafrika (dessen Bruttoinlandsprodukt höher als das von Finnland ist) und dem Tschad gibt es doch gewaltige Unterschiede. Zu den Ländern, die eigentlich auf der Gewinnerseite des schwarzen Kontinents stehen, gehört eigentlich auch Gabun. Das Land, das zuerst von portugiesischen Seefahrern entdeckt wurde, die ihm den Namen Gabao („Mantel“; wegen des dichten Nebels vor der Küste) gaben, ist von der Fläche fast so groß wie Deutschland, hat aber nur so viele Einwohner wie Hamburg. Die Hälfte davon lebt in der am Meer gelegenen Hauptstadt Libreville. Gabun ist damit eines der am dünnsten besiedelten Ländern Afrikas, das zum Großteil aus (teilweise noch unerforschtem) Regenwald besteht. Auch sonst sticht Gabun im schwarzafrikanischen Vergleich stets heraus. Der Bevölkerungszuwachs ist mit 1,8 Prozent pro Jahr sehr niedrig, das Einkommensniveau vergleichsweise hoch, die Wirtschaftskraft stark. Gabun gilt als eines der reichsten Länder Afrikas, manchmal spricht man auch von der "Schweiz Afrikas". Das liegt am großen Reichtum an Bodenschätzen, wozu neben Gold und Uran vor allem Mangan gehört, für dessen Abbau die französischen Kolonialherren einst eine Eisenbahnstrecke vom Landesinneren nach Libreville gebaut haben, die heute auch für den Personenverkehr genutzt werden kann. Hinzu kommt der Export von edlen Tropenhölzern, eben weil es in Gabun so derart viel Regenwald gibt. Vor allem aber profitiert Gabun vom Erdöl vor seiner Küste, das vom französischen Total-Konzern gefördert wird. Wenn Ihr also in Deutschland bei Total tankt, dann fahrt Ihr wahrscheinlich mit gabunischem Benzin. Wenn aber das Land so reich ist, wieso ist dann der Fußballverband pleite? Und warum herrscht hier generell so viel Armut? Die Wirtschaftskraft von Gabun ist so groß, dass der Staat jedem Einwohner ein bedingungsloses Grundeinkommen von 10.000 Euro im Jahr zahlen könnte. Stattdessen leben 75 Prozent der Gabuner von unter einem Dollar pro Tag, was die UNO als absolute Armut definiert. Man muss dazu kurz in die Geschichte blicken: Fast ganz West- und Zentralafrika war bis 1960 französische Kolonie. Im sogenannten „afrikanischen Jahr“ wurden dann 14 afrikanische Länder – darunter auch Gabun – von Frankreich in die Unabhängigkeit entlassen. Es war und ist aber nur eine Unabhängigkeit auf dem Papier, denn durch spezielle Verträge bleiben die 14 ehemaligen Kolonien wirtschaftlich und militärisch eng an Frankreich gebunden. Neben dem Flughafen von Libreville beispielsweise steht heute noch eine französische Kaserne, in der rund 1.000 Soldaten stationiert sind. Die sind vor allem zum Schutz der gabunischen Machthaber da, denn wie in allen ehemaligen Kolonien setzte Frankreich Diktatoren auf den Stuhl, die in Frankreich ausgebildet wurden, Paris treu sind, innenpolitisch mit harter Hand regieren und einen reibungslosen Export der Rohstoffe nach Frankreich garantieren – woran sie selbst kräftig mitverdienen. Was viele nicht wissen: Es ist tatsächlich Gabun, das die längste Diktatur Afrikas stellt. 1960 setzte Frankreich Leon Mba an die Macht, nach dem auch der Flughafen in Libreville benannt ist. Nach seinem Tod folgte 1967 Omar Bongo, der das Land 42 Jahre lang (!) bis zu seinem Tod 2009 regierte. Auf ihn folgte Sohn Ali Bongo, der sich seitdem mit Hilfe des Militärs an der Macht hält. Der Bongo-Clan, der allein in Frankreich 39 Villen und zig Sportwagen besitzen soll, ist hier also schon seit über 50 Jahren am Start. Satte 25 Prozent des gabunischen Bruttoinlandsproduktes sollen auf Konten der Familie Bongo verschwinden, hat etwa das Magazin „11 Freunde“ im Vorfeld des Afrika-Cups 2017 geschrieben. Konkret funktioniert das Spielchen unter anderem so: Die gabunische Niederlassung von Total, deren Präsidentin zufällig Pascaline Bongo (Tochter von Langzeit-Diktator Omar Bongo) ist, gewährt den Franzosen Zugriff auf die gabunischen Öl-Quellen zum kleinen Preis. Dabei soll Total wesentlich mehr Öl fördern als man offiziell angibt. Diese Einnahmen fehlen dem eigentlichen Staatshaushalt und damit der Bevölkerung. Die Differenz wandert stattdessen in die Bongo-Taschen. Die Franzosen profitieren dabei vom niedrigen Preis. Eine Masche, die überall in Afrika angewendet wird. In Niger zum Beispiel, wo 40 Prozent des Urans abgebaut wird, das das Atom-Land Frankreich dringend benötigt, zahlt der französische Staatskonzern Areva nur ein Drittel des Weltmarktpreises – gestützt auf die Verträge, die einst „ausgehandelt“ wurden, damit die Länder 1960 in die Unabhängigkeit entlassen wurden. Jetzt kann man fragen: Warum lässt sich die Bevölkerung das bieten? Nun, sie lässt sich das nicht bieten. Doch sobald es auf die Straße geht, ist der Protest spätestens dann vorbei, wenn die übermächtige französische Armee einschreitet, die überall in Afrika ihre Kasernen hat. Zwischen 1960 und 2007 gab es in Afrika 37 französische Militärinterventionen, um die jeweiligen Regime an der Macht zu halten oder frankreich-treue Machthaber einzusetzen – im Schnitt alle 14 Monate. Ein Grund, weshalb sich die (wie gesagt alle in Frankreich ausgebildeten) Diktatoren trauen, Wahlen extrem dreist zu fälschen. Beispiel Gabun: 2016 gab es hier wieder eine Präsidentschaftswahl, bei der klar war, dass Machthaber Ali Bongo und Herausforderer Jean Ping relativ dicht beieinander liegen. Beide Kandidaten erhielten in acht der neun gabunischen Provinzen jeweils zwischen 48 und 49 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag überall bei knapp 50 Prozent. Wie durch Zauberhand gab es aber völlig andere Wahlergebnisse in der abgelegenen Provinz Haut-Ogooué, aus der der Bongo-Clan stammt (und übrigens auch meine Freundin). Hier soll die Wahlbeteiligung bei 99,9 Prozent gelegen haben (demnach haben nur 47 Wahlberechtigte nicht abgestimmt), von denen 95,5 Prozent für Ali Bongo gestimmt haben. Er gewann am Ende mit insgesamt 5000 Stimmen Vorsprung die Präsidentschaftswahl. Man muss dazu sagen: Haut-Ogooué ist eine der Provinzen mit der schlechtesten Infrastruktur, weshalb die Wahlbeteiligung dort eher niedrig sein müsste. Familiär bedingt kenne ich allein 20 Leute, die in Libreville leben, aber in Haut-Ogooué hätten wählen müssen, ihre Stimme aber nicht abgegeben haben. Bei so viel Dreistigkeit ließ der Protest in Libreville nicht lange auf sich warten, der aber von Sicherheitskräften und Militär gnadenlos niedergemäht wurde. Laut offiziellen Angaben gab es mehr als 100 Tote, tatsächlich darf man vielleicht sogar noch eine Null dranhängen. Dieses Massaker von Libreville wurde sogar in den deutschen Medien erwähnt, wenn auch nur kurz. Obendrauf stieg die Republikanische Garde (verantwortlich für den Schutz von Ali Bongo) mit Kampfhubschraubern auf, bombardierte aus der Luft die Oppositionszentrale von Jean Ping und legte sie in Schutt und Asche.
Eine Rolle in diesem Konflikt spielt auch der wohl bekannteste Sohn Gabuns, der aktuell in der deutschen Bundesliga sein Geld verdient: Pierre-Emerick Aubameyang. Wobei der eigentlich gar kein richtiger Sohn des Landes ist. Geboren ist er in Frankreich, seine Mutter ist Spanierin, nur sein Vater Pierre ist Gabuner. Pierre-Emerick Aubameyang hat daher gleich drei Staatsbürgerschaften. Das wirft die Frage auf, warum sich ein Spieler mit dieser spielerischen Klasse dann nicht für die französische oder die spanische, sondern für die gabunische Nationalmannschaft entscheidet, die wirklich keine Vorrunde übersteht. Und auch da spielt der Bongo-Clan eine gewisse Rolle, denn Pierre-Emerick Aubameyang ist beinahe schon ein Maskottchen für Präsident Ali Bongo, der da die bekannte „Brot und Spiele“-Taktik fährt. Gleich zweimal holte der bereits den Afrika-Cup nach Gabun: zuerst 2012 (zusammen mit Äquatorialguinea), dann noch einmal 2017 (als Ersatzkandidat für Bürgerkriegsland Libyen). Der Plan ging nur nicht ganz auf, denn spätestens seit dem Massaker und den Protesten von 2016, als das Regime sogar wochenlang das Internet im ganzen Land abdrehte, hat die Bevölkerung die Schnauze voll. Die Stadien beim Afrika-Cup blieben leer, mitunter sogar bei Gabun-Spielen.
Umso sinnloser, wie viel Geld in den Bau neuer Stadien investiert wurde. Eines davon ist Schauplatz des heutigen Drittligaspiels: das Stade d'Angondjé. Angondjé ist einfach nur der Name der Viertels, das zur Stadt Akanda gehört. Akanda wiederum bildet zusammen mit Owendo und dem eigentlichen Libreville das, was man generell einfach nur Libreville nennt. Alle drei Städte sind längst zu einer Gesamtstadt zusammengewachsen. Selbst Einheimische können oft nicht genau sagen, wo genau die Stadtgrenzen liegen. Offiziell trägt das Stade d'Angondjé einen anderen Namen (den aber niemand benutzt), der schnell deutlich macht, wer hier neben den Franzosen inzwischen zum zweiten großen Player geworden ist: Stade de l'Amitié Sino-Gabonaise – Stadion der chinesisch-gabunischen Freundschaft. Die Chinesen waren es auch, die die Kohle für den Bau beigesteuert haben. Heute bleibt jedoch nur der Blick von außen auf das futuristische Stadion, in dem vor neun Monaten das Finale des Afrika-Cups stattfand, denn Liga-Fußball wird hier nur auf dem ausbaulosen Nebenplatz geboten. Hauptnutzer des Nebenplatzes ist Erstligist FC Sapins, dessen Präsident ein gewisser Pierre Aubameyang ist – also der Vater von Dortmund-Star Pierre-Emerick Aubameyang. Pierre Aubameyang war einst selbst gabunischer Nationalspieler, kommt gut mit dem Bongo-Clan klar und wird sicherlich ein Wörtchen mitgeredet haben, dass der Sohnemann für Gabun und nicht für Frankreich (für das er noch in der U21 gespielt hat) oder Spanien spielt. Pierre-Emerick Aubameyang ist schließlich eine Pop-Ikone in Gabun. Nach ihm sind Bars benannt, in jeder Straße sieht man mindestens ein Dortmund-Trikot – und Diktatur Ali Bongo liebt es, sich mit Pierre-Emerick Aubameyang ablichten zu lassen, in der Hoffnung, im Volk an Popularität zu gewinnen. Meine persönliche Meinung: Man sollte Pierre-Emerick Aubameyang gar nicht mal so wegen seiner disziplinarischen Vergehen auf und neben dem Platz kritisieren, sondern mal viel mehr seine Rolle bei der Unterstützung der gabunischen Diktatur öffentlich machen, die Dutzende, wenn nicht gar Hunderte Menschenleben auf dem Gewissen hat und ein ganzes Volk in Armut vegetieren lässt. Ali Bongo assassin!
Das Engagement von Pierre Aubameyang beschränkt sich aber nicht nur auf die gabunische Ligue 1, sondern er hat zudem eine nach seinem Sohn benannte Fußball-Akademie gegründet, die in der Ligue 3 spielt und ihre Heimspiele ebenfalls auf dem Platz des FC Sapin austrägt. Ehrensache, dass die Mannschaft in voller BVB-Montur aufläuft, was dann hier am Äquator weit weg vom Ruhrgebiet doch etwas skurril wirkt. Selbst auf der Kapitänsbinde ist das Borussia-Wappen abgebildet. Echte Liebe.