Deutschland, Westfalenliga – Staffel 1 (6. Liga)
Sonntag, 20. September 2020, 15 Uhr
Hüllhorst, Schul- und Sportzentrum Tengern
Nachdem es in Minden sehr mondän zuging, wird es nun wieder sehr provinziell. Tengern hat nur 2.000 Einwohner, nennt aber einen Westfalenligisten sein Eigen. 2019 gelang dem TuS Tengern erstmals in der Vereinsgeschichte der Sprung in die Westfalenliga, aus der er eigentlich sofort wieder abgestiegen wäre. Doch dann kam Corona, der Abstieg wurde ausgesetzt und der TuS Tengern blieb als sang- und klangloser Tabellenletzter in der Liga. Davon profitiert hat auch der heutige Gegner, denn der VfB Fichte Bielefeld stand nur einen Tabellenplatz über dem TuS Tengern. Statt in der Landesliga findet das Aufeinandertreffen in dieser Saison damit erneut in der Westfalenliga statt. So oder so treffen da zwei echte Welten aufeinander. Auf der einen Seite der Dorfverein aus der ostwestfälischen Provinz, der sich als gut sortiert und strukturiert präsentiert, der stolz die Fahne von Verein, Deutschland und Hauptsponsor nebeneinander hisst. Auf der anderen Seite der etwas chaotische Großstadtverein mit seiner sehr speziellen Fanszene, die man in ganz Westfalen und wohl auch darüber hinaus kennt. Der VfB Fichte ist der Gegenentwurf zur bürgerlichen Arminia, hat seine Wurzeln in den Arbeitervierteln des Bielefelder Ostens, in dem er einst die gleichen Scharen anzog wie die Arminia im nobleren Bielefelder Westen. Die erfolgreichen Zeiten der beiden Vorgängervereine VfB und Fichte sind längst vorbei, Massen kommen schon seit Jahrzehnten keine mehr, aber es gibt noch eine kleine Fanszene, die den Geist der beiden Arbeitervereine weiter in sich trägt. Stark schon mal, in dieser hyper-spießigen Umgebung mit acht, neun Leuten eine Ecke der Tribüne in Beschlag zu nehmen, dort nur selbst mitgebrachtes Dosenbier zu trinken und eine Tüte nach der anderen zu rauchen. Vor allem aber das Liedgut der VfB-Fichte-Szene beeindruckt mich, weil die Texte sehr stark Bezug nehmen zur Geschichte der beiden Vorgängervereine. Immer wieder wird der Bielefelder Osten besungen, immer wieder lokale Begriffe verwendet. Gesanglich ist das unterer Durchschnitt und selbstverständlich wirkt es etwas seltsam, wenn mehr Fahnen aufgehängt werden als Gästefans zugegen sind. Aber es ist unglaublich interessant, diese Lieder mit dieser Verwurzelung zu hören. Natürlich hat das auch etwas damit zu tun, dass ich inzwischen die Hälfte des Jahres selbst im Bielefelder Osten lebe. Die Sympathien sind bei diesem Spiel also klar verteilt, zumal die vom TuS Tengern angebotene Mantaplatte die absolute Frechheit ist. Die ist ein Fall für den Mülleimer. Aber wie es halt so ist, wenn ich mal ausnahmsweise bei einem Spiel Sympathie für eine Mannschaft entwickle: Der VfB Fichte verliert klar mit 1:5.