Samstag, 12. August 2017, 15.30 Uhr
Bremerhaven, Nordseestadion
So langsam werden auch im DFB-Pokal
Zustände erreicht, bei denen man sich nur noch an den Kopf fassen
kann. Konnte man früher bei Spielen wie diesen mitunter noch zehn
Minuten vor Anpfiff ganz stressfrei Tickets an der Tageskasse kaufen,
geht’s inzwischen zu wie beim WM-Finale: Die Leher Turnerschaft,
die ihr Coppa-Spiel gegen den Eff Zäh vom eigenen Sportplatz im Stadtteil Lehe ins
benachbarte Nordseestadion verlegt hat, hat sich einen ganz
besonderen Spaß für den Kartenverkauf einfallen lassen und Tickets
nur über eine Bank in Bremerhaven verkaufen lassen. Als Auswärtiger
ist man da natürlich chancenlos und muss notgedrungen über Ebay
zugreifen. 43 Euro statt regulär 28 Euro für einen überdachten
Sitzplatz sind aber gerade noch so im Rahmen. Spannung versprechen vor
allem die Interaktionen des FC-Anhangs, denn der UEFA-Pokal-Finalist
von 1986 ist nach langen Jahren der Abstinenz wieder im internationalen
Geschäft vertreten und das hat eine auch für deutsche Verhältnisse
unglaubliche Euphorie ausgelöst. Das Pokalspiel in Bremerhaven ist
das erste Pflichtspiel dieser geschichtsträchtigen Saison und da
darf man dann schon mit etwas Stimmung rechnen. Per Regionalzug wird die Fahrt von Bremen
nach Bremerhaven absolviert, wo einen die
Hafenstadt mit ihren knapp 100.000 Einwohnern mit viel
maritimem Charme in Empfang nimmt. Schon allein die Linienbusfahrt vom Hauptbahnhof
zum Stadion macht Freude, denn sie führt am Hafen entlang, direkt
vorbei an einem U-Boot. Ein Bild, das man in Deutschland nicht so oft
aus einem Busfenster heraus zu sehen bekommt. Die größte
Enttäuschung des Tages erlebt dafür der Besitzer eines Irish Pubs,
der zum Away Pub für die FC-Fans auserkoren wurde. Bis auf Kölsche
Gassenhauer, die aus den Lautsprechern wummern, ist aber nicht viel
los, und so hängen neben 15 FC-Fans auch drei Bedienungen
gelangweilt an der Theke herum. Die wurden extra für den heutigen
Tag eingestellt, weil der Besitzer mit 500 Kölnern gerechnet hat.
Dumm gelaufen. Umso größer ist der Andrang am Nordseestadion, wo
man eindrucksvoll unter Beweis stellt, mit der Organisation eines
solchen Spiels völlig überfordert zu sein. Hunderte Meter lange
Schlangen, weil an den Eingängen viel zu umständlich und viel zu
langsam kontrolliert wird – und das in strömendem Regen. Weil dann
doch allzu vielen Leuten der Kragen platzt, wird dann ab zehn Minuten
vor Anpfiff quasi nur noch durchgewunken. Sinnvoll. Gut 8.000
Zuschauer passieren die Tore, Stadion damit ausverkauft. Der Gästeblock
auf der Gegengeraden ist knallvoll, die Stimmung eine Woche vor
dem Derby gegen Mönchengladbach ziemlich gut, obwohl die Faktoren
(erstes Spiel nach der Sommerpause, absolut mieses Wetter,
unbedeutender Gegner) eigentlich nicht die besten sind. Es lässt sich
schon einmal sagen: Diese Fanszene wird in Europa für Freude sorgen.
Auch bei den Gastgebern gibt es organisierten Support von etwa 30
Leuten, die hinter einer kleinen Zaunfahne mit der Aufschrift
„Lehe-Front“ stehen. Die können sich gegen die Kölner akustisch
aber natürlich nicht durchsetzen. Mit der Überforderung geht es
nach Abpfiff direkt weiter. Für viele Autofahrer bedeutet das: Erst
einmal Kontakt mit der Polizei aufnehmen, weil die Stadtverwaltung
sich nicht kulant gezeigt hat und im Stadionumfeld rigoros
abschleppen ließ. Für die Zugfahrer bedeutet das: Bis zu eine
Stunde an der Bushaltestelle am Stadion herumstehen, weil man nicht
auf die Idee kommt, hier Shuttle- oder Extrabusse einzusetzen.
Ziemlich arm.