Deutschland, Testspiel
Mittwoch, 29. Juli 2020, 19 Uhr
Sassenberg, Waldstadion
Nach intensivem Testspielkonsum in Baden-Württemberg und den südlichen Nachbarländer steht nun also mein erstes Spiel in Corona-Zeiten in Westfalen an. Dort, wo ich mein letztes Spiel vor dem Lockdown im Frühjahr gesehen hatte. Bisherige Bilanz: In Vorarlberg und Liechtenstein war überhaupt nichts von Corona zu merken. Keine Präsenzlisten, keine Maskenpflicht, alles wie in den Zeiten vor dem Lockdown. Ähnlich sah es in den vergangenen Wochen in der Schweiz aus, wo nur ganz wenige Vereine Präsenzlisten führten, in der Regel aber auch kein Unterschied zu Vor-Corona-Zeiten feststellbar war. In Baden-Württemberg lag die Quote bei etwa 50:50. Die eine Hälfte führte Präsenzlisten, ein Teil davon sperrte während der Spiele einzelne Bereiche der Sportanlage für Zuschauer, bei der anderen Hälfte war ebenfalls kein Unterschied zu der Zeit vor dem Lockdown zu erkennen. Gespannt war ich, wie man nördlich des Weißwurst-Äquators und speziell in Westfalen mit dem Thema umgeht. Von dort hatte ich zuletzt wirklich aberwitzige Geschichten gehört, auf was für absurde Ideen da manch ein Verein gekommen ist. Vorstellen konnte ich mir das gut, denn im vergangenen Jahr bin ich viel zwischen dem Süden und Westen der Republik hin- und hergependelt und habe dabei mehr denn je festgestellt, dass man im Süden viele Dinge einfach lockerer nimmt und die Mentalität im Westen deutlich spießiger ist. Wie das ganz konkret aussieht, darf ich zuerst am östlichen Rand des Münsterlandes feststellen, wo in Sassenberg (15.000 Einwohner, bereits tiefstes Gebiet von Preußen Münster) das wirklich schöne Waldstadion steht – mit einem eigenen Garderobenhalter in der Tribüne. Doch nicht nur das, denn am Eingang steht tatsächlich auch das Ordnungsamt und kontrolliert, ob hier alles mit rechten Dingen vorgeht, obwohl nicht einmal 50 Zuschauer kommen. Ziemlich übertrieben, zumal in Westfalen bereits 300 Zuschauer bei Fußballspielen zugelassen sind. Für ganz besonderen Sound sorgt während des gesamten Spiels die örtliche Blaskapelle, in deren Musikprobe das Testspiel gegen den Westfalenligisten aus Peckeloh fällt. Da die Musiker aufgrund der Corona-Bestimmungen nicht nebeneinander sitzen dürfen, haben sie sich rund ums Stadion im Wald verteilt. Weil es kein Konzert, sondern nur eine Probe ist, wird nicht permanent gemeinsam musiziert, sondern ständig ertönt aus einer anderen Ecke des Waldes eine andere Stimme. 90 Minuten lang! Zu allem Übel wird die ganze Zeit nur ein einziges Lied geprobt, nämlich „Du kannst nicht immer 17 sein“ von Chris Roberts. Das wird sich in dieser speziellen Konstellation noch lange als Ohrwurm einbrennen. Gibt also keinen Grund, nach Abpfiff noch länger hier zu bleiben, somit geht’s unter den wachsamen Augen des Ordnungsamtes umgehend zurück zum Auto.