Schweiz, Testspiel
Samstag, 4. Juli 2020, 11 Uhr
Goldau, Sportplatz Tierpark
Schon gestern in Sarnen war der Hopper-Auflauf für Schweizer Verhältnisse ungewohnt hoch, doch heute wird die Zahl noch einmal ansteigen, denn rund um den Vierwaldstätter See lassen sich an diesem Samstag gleich vier Viert- bzw. Fünftligisten machen. Man muss erklären, warum das in der Schweiz etwas so Besonders ist: Je 10 Vereine spielen in der 1. und 2. Liga, weitere 16 Vereine in der eingleisigen 3. Liga. Bei insgesamt nur 36 Vereinen hat man als Hopper aus der Schweiz (oder auch Baden-Württemberg) die ersten drei Ligen also relativ schnell komplett. Unterhalb der 3. Liga fächert sich das Ligensystem jedoch mit je 14 Vereinen in den drei 4. Ligen und sechs 5. Ligen sehr breit auf. Das sind insgesamt 126 Vereine und die hakt man eben längst nicht so schnell ab wie die 36 in den obersten drei Ligen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Anstoßzeiten in der 4. und 5. Liga sehr stark auf den späten Nachmittag konzentrieren und selbst Doppler in der Regel unmöglich sind. Da an einem Tag mal eben vier Viert- und Fünftligisten machen zu können, lockt dementsprechend so einige Mitglieder der Zunft an, die nicht nur aus der Schweiz und Baden-Württemberg, sondern sogar bis aus Niedersachsen anreisen. Es ist wohl dem Wetter zu verdanken, dass die Schweiz bei den Corona-Testspielen tschechische Anstoßzeiten für sich entdeckt, denn bei Temperaturen jenseits der 30 Grad macht es durchaus Sinn, schon vormittags gegen den Ball zu treten. So denkt man glücklicherweise auch beim SC Goldau. Bahnreisenden dürfte der Ort bestens bekannt sein, denn Arth-Goldau ist auf der wichtigen Nord-Süd-Achse von Zürich nach Mailand der letzte Bahnhof vor dem Gotthard und damit auch der letzte Bahnhof im deutschsprachigen Gebiet. Trotz seiner heute nur 5.000 Einwohner ist Goldau damit einer der wichtigsten Eisenbahn-Knotenpunkte der Schweiz geworden. Ein Blick hinter die Gleisanlagen am Bahnhof unterstreicht diesen Kontrast, denn dort befindet ein großes Personalrestaurant der SBB, das völlig überdimensioniert wirkt, wenn man einzig die Einwohnerzahl betrachtet. In der Schweiz ist Goldau zudem als Ort der Bergstürze bekannt, was schon im Namen begründet ist. Der hat nämlich nichts mit Gold zu tun, sondern leitet sich vom Wort Golet (Schutt) ab. Immer wieder prasselten herabstürzende Felsen auf den Ort nieder. Der größte Bergsturz ereignete sich 1806, als 467 Menschen starben und ganz Goldau zerstört wurde. Nur 206 Einwohner überlebten die Naturkatastrophe. Der letzte große Bergsturz ereignete sich 2005, als 100.000 Kubikmeter Gestein auf Goldau niederprasselten – glücklicherweise ohne Todesopfer. Das Leben mit dem Berg im Rücken hat Spuren hinterlassen, oder besser gesagt keine Spuren hinterlassen, denn so richtig alt ist kein Gebäude im Ort, was ihn damit nicht sonderlich sehenswert macht. Schweizweit ist Goldau für eine dritte Sache bekannt, nämlich den örtlichen Tierpark, der in sehr zentraler Lage auf den Überresten des großen Bergsturzes von 1806 errichtet wurde. Mit fast 400.000 Besuchern pro Jahr zählt er zu den berühmtesten Zoos der Schweiz. Und da heute die Sommerferien in der Schweiz beginnen, ist schon am Vormittag die Hölle in Goldau los. Durch die zentrale Lage des Tierparks sind Parkplätze im gesamten Ort Mangelware. Der nach dem Tierpark benannte Sportplatz des SC Goldau befindet sich direkt neben dem Tierpark, weshalb auch der eigene Parkplatz des Vereins wenig überraschend keine einzige Lücke mehr übrig hat. Es muss also etwas weiter weg geparkt werden und noch dazu gebührenpflichtig, ist aber auch kein Weltuntergang. Schon eher ist ein Weltuntergang, wie der SC Goldau mit dem Datenschutz umgeht, denn schon am Eingang steht ein Vereinsvertreter bereit und lässt jeden Zuschauer in die Präsenzlisten eintragen – mit Namen, Anschrift und Telefonnummer. Ist in der Schweiz zwar bei jedem Spiel vorgeschrieben, kommt aber höchst selten vor, dass sich ein Verein daran hält. Die Listen hier in Goldau liegen offen herum, jeder Zuschauer kann Einblick in die persönlichen Daten der anderen Zuschauer nehmen. Darauf angesprochen meint der Vereinsvertreter nur ganz trocken: Wem das nicht passt, soll draußen bleiben. Logische Konsequenz ist, dass man Phantasie-Daten einträgt, was natürlich nicht im Sinne des Erfinders ist. Ansonsten überaus sympathisch, was man beim SC Goldau geboten bekommt. Schöne, kompakte Anlage mit ein paar Stufen, Überdachung und Biertisch-Garnituren. Gemütlich! Es wird sogar ein Catering angeboten, auch wenn 14 Franken für ein Schnitzelbrötchen schon wirklich happig sind.