Griechenland, A Kategoria Dodekanes – Playoff (4.Liga)
Samstag, 16. April 2022, 17 Uhr
Ialysos, Stadio Oikonomidio
Die Hälfte der Zeit auf Rhodos ist bereits rum, aber eines steht jetzt schon fest: Es war genau der richtige Zeitpunkt für diesen Trip! Die Temperaturen sind schon recht angenehm, aber die Touristen-Massen noch nicht da. Man hat überall seine Ruhe und selbst die Altstadt von Rhodos-Stadt ist nicht völlig überlaufen. Aber noch wichtiger: Derzeit findet wirklich jeden Tag Fußball statt. Unterhalb der 3.Liga endet die eigentliche Saison zwar schon Anfang April, aber Relegationsspiele haben jetzt Hochkonjunktur und zur Not gibt’s auch noch Jugendfußball. Und selbst wenn nicht direkt auf Rhodos gespielt wird, rollt der Ball auf einer der kleinen Inseln. Da Gäste und Schiedsrichter dann automatisch von anderen Inseln anreisen, richten sich die Anstoßzeiten nach dem Fahrplan der Fähren, so dass man in der Regel schnell hin- und wieder wegkommt. Dennoch wird im Familienrat beschlossen, am Freitag auf Fußball zu verzichten und einen reinen Touri-Tag einzulegen. Wir fahren von der Nordspitze von Rhodos, wo sich unser Hotel befindet, bis ganz hinunter an die Südspitze der Insel. 90 Kilometer sind das – und das ist zugleich die weiteste Fahrt, die auf Rhodos möglich ist. Bis Lindos (Hälfte der Strecke) ist die Straße ganz gut ausgebaut, dann wird’s ein bisschen provinzieller, so dass man gut eineinhalb Stunden für die 90 Kilometer braucht. An der Südspitze erwartet uns ein absoluter Höhepunkt, nämlich die kleine Insel Prasonisi. Das nur drei Quadratkilometer große, unbewohnte Eiland ist durch eine Sandbank mit Rhodos verbunden, die regelmäßig überspült ist. Je nach Wasserstand ist Prasonisi also entweder eine Insel oder nur eine Halbinsel. Vor Prasonisi treffen das Mittelmeer und das Ägäische Meer aufeinander. Wie überall auf den griechischen Inseln weht auch auf Rhodos ein heftiger Wind (nicht umsonst stehen überall Windmühlen), der auf der breiten Sandbank zwischen Rhodos und Prasonisi aufgrund der Lage zwischen den zwei Meeren besonders ausgeprägt ist, weshalb sie ein Hotspot für Kitesurfer ist. Wir haben heute das Glück, dass nur ein kleines Stück der Sandbank überspült ist. Prasonisi ist aktuell somit zwar eine Insel, aber die Sandbank trotzdem in quasi voller Größe da. Für mich persönlich ist das der wohl coolste Ort von Rhodos, weil er eine ganz besondere Magie versprüht. Und mal wieder typisch griechisch: Trotz Verbotsschildern ist es kein Problem, mit dem Auto über die Sandbank zu fahren. Keine Parkgebühren, volle Freiheit. Auf dem Rückweg führt kein Weg an Lindos vorbei, einem weiteren touristischen Schwergewicht von Rhodos. Die autofreie Altstadt ist bekannt für ihre ausschließlich weißen Häuser und ist damit das „Mykonos von Rhodos“. Diese weißen Häuser assoziiert man ja gemeinhin mit allen griechischen Inseln, dabei sind sie nur typisch für die Kykladischen Inseln (u.a. Mykonos, Santorini, Naxos), nicht aber für die Dodekanes-Inseln. Als weitere Besonderheit kommt in Lindos eine auf einem Felsen über der Stadt thronende Akropolis hinzu, die die am zweithäufigsten besuchte Akropolis Griechenlands ist. Nummer 1 ist natürlich Athen. Dass Lindos auch noch direkt am Meer liegt, macht die Angelegenheit dann endgültig perfekt. Gerade das Zusammenspiel mit dem tiefen Blau des Meeres, das oben von der Akropolis aus betrachtet unendlich zu sein scheint, setzt diesem ganzen Ort die Krone auf. Aber das zieht natürlich auch massenhaft Touristen an – selbst um diese Jahreszeit. Speziell oben auf der Akropolis geht’s wirklich den meisten Leuten nur darum, sich möglichst spektakulär für ihr Instagram-Profil in Szene zu setzen. Das Kontrastprogramm holen wir uns danach am fast menschenleeren Agathi Beach. Ein nicht sehr großer, schöner Strand mit einer dahinterliegenden, kleinen Geisterstadt, an dem wir den Tag ausklingen lassen.
Ehe am Samstag wieder König Fußball ruft, geht es für uns noch einmal hoch hinauf – zum Kloster Tsambika. Rund 300 Stufen müssen dafür bestiegen war, was im Hochsommer eine Tortur sein muss. Als Motivationshilfe ist die Zahl etwa jeder fünften Stufe mit weißer Farbe aufgemalt. Die Legende sagt, dass wenn Jungfrauen diese 300 Stufen barfuß hinaufgehen, sie bald Mutter werden. Tritt das wirklich ein, bekommt ein Mädchen den Namen Tsambika und ein Junge den Namen Tsambikos. Diesen Namen gibt es nur auf Rhodos – und ihn scheint es hier wohl sehr oft zu geben. Gigantisch ist auf jeden Fall der Ausblick, den man von oben. Auch an der Anthony Quinn Bay schauen wir heute noch einmal vorbei, denn die hat es uns sehr angetan. Um 17 Uhr ist dann Anpfiff in Ialysos, einem eher unspektakulären Vorort von Rhodos-Stadt. Die reguläre Saison ist wie gesagt bereits vorbei, aber vier Vereine der A Kategoria (4.Liga) der Dodekanes-Insel ermitteln in einer Playoff-Gruppenphase aktuell einen Aufsteiger in die 3.Liga. Die zieht sich über fast einen Monat hin. Heute findet der dritte der sechs Spieltage statt und in Ialysos treffen zwei Teams aufeinander, die die beiden bereits ausgetragenen Spiele gewonnen haben. Da Ialysos hat mit den 1991 gegründeten Scorpions Gate 30 die wohl zweitbeste Szene der Insel hat (hinter Gate 6 von Diagoras), kann das ja nur gut werden. Und das wird es. Erste Überraschung: Das Spiel ist ausverkauft – allerdings bekomme ich fünf Minuten vor Anstoß noch ganz regulär ein Ticket am Kassenhäuschen. Die Scorpions Gate 30 stehen mit etwa 50 Leuten auf der Gegengeraden. So viele sind es bei normalen Ligaspielen mit Sicherheit nicht, denn es stehen auch ein einige Jugendspieler bei ihnen. Trotzdem einfach nur beeindruckend, was dort los ist: Typisch griechische Gesänge, viel Pyro und immer wieder fliegen Böller und Gegenstände aufs Feld. Für mich die ganz, ganz große Überraschung hier auf Rhodos. Das hätte ich niemals so erwartet. Aus dem nur zehn Kilometer entfernten Maritson sind ebenfalls ein paar Leute mit zwei Zaunfahnen mitgekommen, die auch eine Trommel dabei haben und von der Haupttribüne aus etwas supporten. Aber kein Vergleich mit Ialysos. Dazu dieses total gammelig-geile Stadion in dieser auffälligen Farbkombination Gelb und Rot, Souvlaki vom Grill, kühles Dosenbier – wohler kann man sich nicht fühlen. Auch sportlich alles vom Allerfeinsten: Ialysos führt bis zur 90. Minute mit 2:0 und alle denken, das Ding ist schon durch. Gate 30 hängt sogar schon die Fahnen ab. Dann machen die Gäste aber den Anschlusstreffer und ein Unentschieden liegt in der Luft. Das kommt zwar nicht, aber für beide Vereine ist der Schuldige sofort gefunden: der Schiedsrichter. Für Ialysos hätte der Anschlusstreffer nicht zählen dürfen, für Maritson kommt der Abpfiff zu früh. Der Unparteiische wird beim Verlassen des Spielfelds also von beiden Fanlagern mit fliegenden Gegenständen eingedeckt. Sogar eine Backpfeife setzt es. Aber das zieht in Griechenland ja keine Konsequenzen nach sich. Wir schlendern dagegen nach dem Spiel ganz gemütlich durch Ialysos. Viel zu sehen gibt es nicht, aber es ist interessant, dass der Tourismus hier überhaupt keine Rolle spielt. Ein ganz normaler griechischer Ort – und das ist auf Rhodos dann schon eine Besonderheit. Wie erwartet finden wir in Ialysos ein Restaurant mit richtig humanen Preisen, authentischem Essen und völlig ohne Touristen, in dem wir den Abend ausklingen lassen.