Sevilla FC – Lille OSC 1:2

UEFA Champions League (Gruppenphase)
Dienstag, 2. November 2021, 21 Uhr
Sevilla, Estadio Ramón Sánchez Pizjuán
 

Massiv Resturlaub ist vorhanden, der noch bis Jahresende genommen werden muss, und so sind in den verbleibenden zwei Monaten bis Silvester tatsächlich noch zwei größere Touren in den sonnigen Süden drin. Die erste führt mich nach Spanien – samt Abstecher nach Gibraltar und als krönender Abschluss ein Flug hinüber in die nordafrikanische Exklave Melilla. Ganz nobel geht es am heutigen Dienstag allerdings erst einmal mit der Lufthansa von Frankfurt ins andalusische Málaga. Die ist in diesem Fall mal ausnahmsweise günstiger als Ryanair, allerdings hat man dann auch das ganze deutsche Saupack an Bord, das sich in Marbella seinen Alterswohnsitz geleistet hat. Dicke Klunker an jedem Finger. Vom Niveau her das genaue Gegenteil vom Ballermann-Proleten, der mir da aber um Längen lieber ist. Den Stewardessen gehen die reichen Omas jedenfalls genauso auf den Senkel. Meine Nebensitzerin lässt sich während des Flugs ganze drei Mal etwas aus ihrem Handtäschchen holen, das sie oben in der Ablage verstaut hat. Warum selbst aufstehen, wenn man Personal hat? Da ich bei der Mietwagen-Buchung etwas spät dran war, ist am Flughafen Málaga leider kein Fahrzeug mehr verfügbar, das ich die gesamte Woche nutzen kann. Ich muss also stückeln und mir mehrmals und dann für kürzere Zeiträume ein Auto anmieten, womit ich quasi alle paar Tage mal am Flughafen aufschlagen muss, um ein Auto abzugeben und/oder abzuholen. Das hat allerdings den Vorteil, dass ich für meine zwei Tage in Gibraltar entspannt ganz auf ein Auto verzichten kann, zumal vom Flughafen Málaga ein Bus direkt in bzw. an den Rand der britischen Enklave fährt. Doch zunächst wartet der ganz große Fußball auf mich. Champions League, Lufthansa-Flug – heute wird wirklich auf die Kacke gehauen. Da passt es nur zu gut, ganz dekadent mit dem Mietwagen nach Sevilla zu fahren. Mit dem Bus ginge das zwar auch, allerdings ist dafür die Zeit zu knapp. Erschrecken muss ich mich in der Hauptstadt Andalusiens aber erst einmal über die strengen Corona-Regeln. Wer denkt, Deutschland sei das Extrem in Europa, der war wirklich noch nicht in Spanien. 80 Prozent der Leute tragen hier im Freien (!) eine Maske, darunter auch Stoffmasken, was ja – zumindest wenn den in Deutschland so zirkulierenden Expertenmeinungen glaubt – völliger Blödsinn ist. Tatsächlich gibt bzw. gab es bis vor Kurzem eine staatlich angeordnete Maskenpflicht im Freien, bei der es aber egal ist, ob man nun FFP2- oder nutzlose Stoffmasken trägt. Die strengen Regeln in Spanien umfassen sogar ein Rauchverbot im Freien oder kleinere Personenansammlungen. Viel erschreckender ist eigentlich nur noch, dass sich die Spanier, die aktuell die zweithöchste Impfquote in der EU haben, so bereitwillig an allen staatlichen Vorgaben beteiligen. Aber gerade Fußballfans muss man ja nicht erklären, dass die Uhren in Spanien anders ticken. Jeder kennt die Fotos und Videos von ausrastenden Polizisten bei Europapokalspielen, nur weil jemand falsch gehustet hat. Ich glaube, dass das damit zusammenhängt, dass Spanien bis 1975 eine faschistische Diktatur war und diese nicht gewaltsam gestürzt wurde, sondern sie einfach nur durch Francos Tod endete. Eine Aufarbeitung der Franco-Diktatur hat in Spanien nie wirklich stattgefunden und ich habe den Eindruck, dass manch ein Spanier sich immer noch in dieser Zeit wähnt. Man kann da jedenfalls schon von einer regelrechten Staatshörigkeit sprechen – und das merkt man bei der Maskenpflicht nur allzu deutlich. Auch in Fußballstadien gilt in Spanien aktuell die Maskenpflicht und das bedeutet, dass heute Abend im Estadio Ramón Sánchez Pizjuán in Sevilla permanent Ordner durch die Reihen gehen und auf die Einhaltung achten. Wem mal selbst nur kurz die Maske unter die Nase rutscht, wird sofort ermahnt. Da bleibt der Spaß natürlich auf der Strecke – und das obwohl die Rahmenbedingungen eigentlich stimmen. Das Stadion macht echt etwas her, der Gästeblock ist gut gefüllt und motiviert, gleiches gilt für die Heimkurve. Nachdem ich vor zwei Jahren das Sevilla-Derby bei Betis gesehen und ich nun auch die SFC-Kurve um die 1975 gegründete Biris Norte in Aktion erlebt habe, muss ich ganz klar sagen: Sevilla ist ein Muss! Sowohl für Betis als auch SFC gilt: Wenn die wirklich aufdrehen, stellen die von der Lautstärke her selbst den Balkan in den Schatten. Diese Hochphasen erlebt man zwar – je nach Spielverlauf – nur ab und zu, aber dann ist wirklich Alarm.