Schweiz, Testspiel
Dienstag, 23. Juni 2020, 20 Uhr
Leibstadt, Sportplatz Schlossfeld
Der angekündigte lange Sommer in der Schweiz nimmt in dieser Woche konkrete Formen an, denn an nicht weniger als fünf Tagen wird Fußball bei den Eidgenossen konsumiert. Die erste Fahrt dieser Woche führt den Babelshopper und mich kurz hinter die deutsche Grenze nach Leibstadt (1.300 Einwohner) im Kanton Aargau. Der Ort ist bekannt, weil in ihm eines der drei Atomkraftwerke der Schweiz steht. Alle drei befinden sich – natürlich rein zufällig – an der deutschen Grenze, keines aber so unmittelbar wie der Meiler in Leibstadt. Ich will jetzt keine Diskussion über Atomenergie lostreten, aber zumindest trägt das Ding in Leibstadt dazu bei, den ansonsten unspektakulären Sportplatz Schlossfeld optisch ein wenig aufzuhübschen, denn er qualmende Krater ragt in nicht weiter Entfernung hinter dem kleinen Vereinsheim empor und sorgt somit für eine nicht alltägliche Kulisse. In der Schweiz ist der FC Leibstadt allerdings nicht nur wegen dem Atomkraftwerk bekannt, denn der Verein schaffte es vor zehn Jahren landesweit in die Schlagzeilen. Damals spielte der FC Leibstadt noch in der 6. Liga und wollte im März 2010 ein Trainingslager in Marokko absolvieren. Die erste Frage ist natürlich, warum ein Schweizer Sechstligist ein Trainingslager außerhalb von Europa absolviert, allerdings kam es gar nicht erst soweit, weil die Spieler das Trainingslager boykottierten und stattdessen einfach nach Las Vegas flogen. Es folgte ein echter Fußballkrieg in Leibstadt: Der Präsident, der das Trainingslager initiiert hatte, meldete daraufhin vor lauter Wut den Verein einfach vom Spielbetrieb ab und ließ ihn in der 9. Liga neu starten, die in der Schweiz die unterste Liga darstellt. Der Präsident wiederum erhielt daraufhin Morddrohungen, weshalb sich sogar die Blick – die Schweizer Version der Bild-Zeitung – in das Geschehen einschaltete und berichtete. Zehn Jahre später spielt der FC Leibstadt noch immer in der 9. Liga. Wenn man sich so die Infrastruktur des Vereins vor Ort ansieht (der Sportplatz besitzt nicht mal ein Stankett), dann fragt man sich umso mehr, wieso man damals als Sechstligist aus einem winzigen Ort so derart ambitioniert gewesen sein wollte. Da hätten ja noch mindestens drei Aufstiege kommen müssen, ehe man so langsam an professionelle Bedingungen hätte denken können. Die stärkste Performance des Tages legt der albanische Vereinsheimwirt des FC Leibstadt hin. Da wir fest davon ausgingen, dass es hier keine Bewirtung geben wird, deckte sich der Babelshopper kurz vor der Grenze mit deutschem Flaschenbier ein. Selbiges entdeckt der Wirt in der 85. Minute in der Hand des Babelshoppers, spurtet zu uns hinüber und legt seinen großen Auftritt hin. Glasflaschen seien hier nämlich verboten. Dass der Wirt hier selber Bier in Glasflaschen verkauft und deshalb mehrere Zuschauer mit eben diesen Glasflaschen am Spielfeld stehen, ist in dem Moment völlig zweitrangig. Das Urteil: Unter Androhung einer Anzeige wird der Babelshopper des Platzes verwiesen. Da schlägt das Hausrecht mit voller Härte zu, aber immerhin trottet der Babelshopper so langsam in Richtung Parkplatz, dass er das Vereinsgelände ohnehin erst nach der 90. Minute verlassen hat. Man hätte den Wirt eigentlich fragen sollen, wo die vom Schweizer Fußballverband eigentlich vorgeschriebenen Corona-Präsenzlisten sind, aber dann ist die Luft hier wohl derart dick, dass das noch zu einer Gefahr für das Atomkraftwerk werden könnte.