Chur 97 U18 – Team Liechtenstein U18 3:0

Schweiz, Testspiel
Samstag, 27. Juni 2020, 13 Uhr
Chur, Sportplatz Ringstrasse 

Chur (knapp 40.000 Einwohner) steht schon seit Jahren auf meiner Liste. Älteste Stadt der Schweiz, südlichste Stadt am Rhein, Brauort meiner Schweizer Lieblingsbiersorte (Calanda), Ausgangspunkt des Glacier-Express und laut einem in diesen Tagen erschienenen Artikel auf welt.de (siehe hier) eine der sieben Städte der Schweiz, die man unbedingt gesehen haben muss. So heißt es in dem Artikel auch: „Die Fußgängerzone ist schweizweit als Ausgehmeile bekannt.“ Das bekam ich in der Nacht bitter zu spüren. Trotzdem muss es rechtzeitig aus den Federn gehen, denn der Vormittag ist prall gefüllt mit Programm: Calanda-Brauerei (nur 300 Meter von meinem Hostel entfernt), Besichtigung der wunderschönen Churer Altstadt und Fahrkarten nach Davos kaufen. Letzteres ist in sofern erwähnenswert, weil der Kanton Graubünden mit der Rhätischen Bahn quasi eine eigene Staatsbahn hat. Die Tageskarten der RhB gelten nicht für die SBB, weshalb man für Teilabschnitte separate Tickets kaufen muss. Für den Graubünden-Laien etwas unübersichtlich. Da lässt man sich dann doch mal gerne am Schalter beraten. Einen Blick wert ist auch der Bahnhof an sich, denn zwei Gleise befinden sich vor dem Bahnhofsgebäude und nicht wie die restlichen Gleise dahinter. Auf diesen beiden Gleisen starten und enden die RhB-Schmalspurzüge nach und von Arosa. Sie besitzen nicht wie alle anderen Züge einen eigenen Gleiskörper, sondern nutzen wie eine Straßenbahn die Straße, halten noch einmal an der Churer Altstadt und machen sich dann hinauf ins Gebirge. Dürfte relativ einmalig in Europa sein. Leider bleibt nicht die Zeit, auf einen von Arosa kommenden Zug zu warten, denn schon ab 13 Uhr rollt der Ball. Chur 97 ist ein 1997 entstandener Zusammenschluss der drei Churer Vereine FC Chur, FC Neustadt und SC Grischuna (Grischun ist der rätoromanische Name des Kantons Graubünden, dessen Hauptort Chur ist). Erfolgreichster der drei Vereine war der FC Chur, der von 1987 bis 1993 in der 2. Liga spielte. Beim FC Chur beendete übrigens Otto Pfister (Trainer sämtlicher Nationalmannschaften) seine aktive Spielerkarriere; er spielte hier von 1969 bis 1972. Chur 97 ist inzwischen nur noch Fünftligist, damit allerdings trotzdem der erfolgreichste Verein des Kantons Graubünden, der flächenmäßig der größte Kanton der Schweiz ist. Angesagt ist hier allerdings eher Eishockey, wo der EHC Chur auch eine aktive Fanszene besitzt, wie man unschwer in der Stadt erkennen kann. Dass der FC Chur mal höherklassig gespielt hat, sieht man dagegen zweifelsohne am Ground, denn der Sportplatz Ringstrasse (kein Schreibfehler; die Schweizer Rechtschreibung kennt den Buchstaben ß nicht) ist eigentlich ein Stadion und besitzt eine ansehnliche Tribüne. Heute tritt zwar nur die A-Jugend an, da es allerdings das erste Spiel in Chur seit der Corona-Pause ist, sind einige Zuschauer zugegen und es ist sogar ein Stadionsprecher im Einsatz. Da es sich um ein Jugendspiel handelt, greifen hier natürlich wieder die Besonderheiten des Schweizer Jugendfußballs. Auf dem Papier heißt die Churer A-Jugend Team Südostschweiz und repräsentiert damit den gesamten Kanton, spielt aber in Trikots von Chur 97 und wird dementsprechend hier auch so betitelt. Anders sieht es beim Gegner aus, der eigentlich auch nur die A-Jugend des FC Vaduz ist und sich Team Liechtenstein nennt, jedoch tatsächlich in Liechtensteiner Trikots spielt. Um die U18-Nationalmannschaft des Fürstentums handelt es sich jedoch nicht, denn zum Team Liechtenstein gehören explizit auch Spieler, die keinen Liechtensteiner Pass besitzen. Abgesehen davon gibt es ja auch gar keine U18-Nationalmannschaft, denn im internationalen Betrieb müssen sich auch Schweizer und Liechtensteiner anpassen und eine U19 bzw. U17 stellen. Obwohl das Team Liechtenstein tendenziell stärker sein dürfte als die reine Liechtensteiner Juniorennationalmannschaft, sieht auch sie in Chur kein Land und ist mit einer 0:3-Niederlage noch gut bedient. Nach Abpfiff geht es schnellen Schrittes zum nicht weit entfernten Bahnhof, denn es wartet der kulturelle Höhepunkt der Tour: Die Fahrt mit der Rhätischen Bahn hinauf nach Davos.