FC Glarus – FC Landquart 2:4

Schweiz, Testspiel 
Freitag, 26. Juni 2020, 20 Uhr
Glarus, Stadion Buchholz 

Das Wochenende beginnt dort, wo das vergangene Wochenende geendet hat: im kleinen Kanton Glarus. Heute mit dem Zug, was zugleich Auftakt für eine dreitägige Tour durch die Schweiz ist. Jetzt schon gleich mehrere Tage am Stück durchs Land zu reisen, nur um Testspiele zu sehen, wirkt auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig. Zum einen ist es aus meiner Sicht aber auch nicht viel besser, aktuell etwa nach zum Beispiel Ungarn zu fahren, um sich dort Liga-Spiele mit stark eingeschränkter Zuschauerkapazität anzuschauen. Zum anderen bietet eine mehrtägige Tour durch die Schweiz die Möglichkeit, sich nicht nur in den grenznahen Regionen fortzubewegen, sondern wesentlich tiefer in alpine Regionen vorzudringen, die landschaftlich natürlich um Längen attraktiver sind. Erst recht eine große Freude für Zugfans wie mich, denn ein Teil der Strecke dieser Tour wird mit der Rhätischen Bahn absolviert. Doch bleiben wir zunächst in Glarus, wohin es dank dem Schweiz-Super-Sparpreis der Deutschen Bahn für angenehme 27 Euro (mit Bahncard 25) geht. Mit seinen nur 12.500 Einwohnern ist Glarus der Hauptort des gleichnamigen Kantons, aber immerhin noch doppelt so groß wie der kleinste Hauptort der Schweiz. Das ist dann Appenzell mit knapp 6.000 Einwohnern. Wie bereits in der vergangenen Woche angesprochen sind Glarus und Appenzell Innerrhoden die einzigen beiden Kantone der Schweiz, die noch die Landsgemeinde praktizieren. Hier wird bei Wahlen also nicht mit einem Kreuzchen auf dem Blatt Papier abgestimmt, sondern alle Wahlberechtigten versammeln sich an einem bestimmten Tag – in Glarus ist es immer der erste Sonntag im Mai – auf dem Landsgemeindeplatz und stimmen per Handzeichen ab. Nicht sonderlich demokratisch, weil die Handzeichen nicht gezählt, sondern vom Wahlleiter nur geschätzt werden und weder eine geheime noch eine Briefwahl möglich ist, aber interessant ist das trotzdem. Auch städtebaulich hinterlässt dieses Wahlprinzip Spuren, denn es muss ja ein großer Platz freigehalten werden, auf dem sich die Einwohner des ganzen Kantons versammeln können. Genau wie in Appenzell befindet sich der Landsgemeindeplatz in Glarus in recht zentraler Lage. An den restlichen 364 Tagen des Jahres dient er einfach als Parkplatz. Während am Appenzeller Landsgemeindeplatz zumindest eine Hinweistafel angebracht wurde, die die Bedeutung und Funktion des Platzes erklärt, sucht man so etwas in Glarus vergeblich. Das zeigt wohl, als wie selbstverständlich und alltäglich man die Landsgemeinde hier betrachtet. Glarus besitzt eine zweite Kuriosität, denn in der Stadt befindet sich die einzige Rekrutierungsstelle der Schweizer Garde des Vatikans – leider ebenfalls ohne Hinweistafel. Abgesehen davon ist Glarus zwar ein hübsches, übersichtliches, aber kein spektakuläres Städtchen. Der eigentliche Höhepunkt ist – im wahrsten Sinne des Wortes – die Alpenlandschaft, die Glarus umgibt. Selbiges gilt für das direkt neben der lokalen Eishalle gelegene Stadion Buchholz, in dem man automatisch den Blick auf die Berge schweifen lässt. Dabei gibt es hier immerhin einen kleinen Ausbau in Form einer unüberdachten Tribüne bei einer Gesamtkapazität von offiziell 8.000 Zuschauern, die heute natürlich nicht mal ansatzweise erreicht wird, obwohl der FC Glarus online für den Besuch dieses Corona-Testspiels geworben hat. Man muss dazu sagen: Gut eine Stunde vor dem Anpfiff geht in Glarus regelrecht die Welt unter. Zeitweise legt der Hagel einen weißen Schleier auf die Stadt und man wähnt sich tief im Januar. Gerade noch rechtzeitig ist das Unwetter vorbei und das Spiel kann angepfiffen werden, dürfte aber doch den ein oder anderen Zuschauer gekostet haben. Die Tatsache, dass hier ein vergleichsweise großes Stadion steht, lässt schon erahnen, dass hinter dem FC Glarus – aktuell in der 7. Liga – erfolgreichere Zeiten liegen. Und tatsächlich: Von 1988 bis 1992 spielte der Hauptstadt-Club des Kantons in der Nationalliga B, also der 2. Liga. Zu jener Zeit durchlebte der große FC Basel den Tiefpunkt seiner Vereinsgeschichte und spielte sechs Jahre lang ebenfalls in der Nationalliga B, wodurch es mehrmals zum Aufeinandertreffen mit dem kleinen FC Glarus kam. Fast schon wie ein Titel wird heute noch in Glarus der 13. August 1988 gefeiert, als man auswärts den FC Basel, der 1982 noch Schweizer Meister geworden war, mit 2:1 besiegte. Sportlich sind diese Zeiten längst vorbei und selbst innerhalb des Kantons Glarus ist der FC Glarus nicht mehr der erfolgreichste Verein. Nach Abpfiff geht es weiter in den nächsten Hauptort, nämlich Chur im Kanton Graubünden, wo man dann doch noch für unter 40 Franken pro Nacht pennen kann – auch wenn das heißt: Bett im 18-Mann-Schlafsaal. Luxus ist etwas anderes und in Corona-Zeiten echt überraschend, dass so ein voll belegter Schlafsaal überhaupt zulässig ist, aber etwas anderes mit Preisen über 100 Franken pro Nacht steht finanziell in keiner Relation – erst recht nicht im Rahmen einer Testspiel-Tour. Angenehm wird die Nacht jedoch nicht, denn die Schweiz hat ab diesem Wochenende die corona-bedingte Sperrstunde aufgehoben. Heißt: Die Discos und Clubs können ihren Betrieb wieder uneingeschränkt hochfahren. Der Bär steppt, als würde es keine Pandemie geben. Im Vergleich zur aktuellen Situation in Deutschland wirklich das völlig entgegengesetzte Bild. Dummerweise ist Chur die Party-Hochburg der ganzen Südostschweiz und trotz der beschaulichen Größe der Stadt ist hier tatsächlich richtig was los. Natürlich befindet sich direkt unter meinem Hostel eine Disco mit Halligalli bis zum Sonnenaufgang, wodurch an Schlaf kaum zu denken ist.