Samstag, 26. Oktober 2019, 10.30 Uhr
Rumburk, Městský stadion
An die Fahrt nach Bischofswerda schließt sich wieder einmal ein Wochenende in Dresden an. Dort machen wir uns am heutigen Samstag die Nähe zu Tschechen zunutze und gönnen uns das Sachsen-Böhmen-Ticket der Bahn, mit dem drei Personen für 42 Euro einen ganzen Tag lang in Sachsen (nur Nahverkehr) und auf ausgewählten Strecken im Norden von Böhmen Zug fahren können. Für unsere unabhängig davon zusammengestellte Spielauswahl passt das Ticket perfekt und so geht es zu früher Stunde vom Bahnhof Dresden-Neustadt nach Rumburk (11.000 Einwohner). Die Stadt ist für mich persönlich sehr interessant, denn meine Familie mütterlicherseits stammt aus dem Nachbardorf Jiříkov (deutsch: Georgswalde), weshalb mein Opa im Rumburk zur Schule gegangen ist. Damals wie heute lag Rumburk an der Grenze zu Deutschland, denn während viele das damals deutschsprachige Sudetenland mit Deutschland assoziieren, gehörte es (mit Ausnahme der sieben Jahre im Dritten Reich) nie zu Deutschland, sondern bis Gründung der Tschechoslowakei zu Österreich. Es verlief hier also schon immer eine Grenze. Speziell hier im sogenannten Schluckenauer Zipfel, der in drei Himmelsrichtungen von Sachsen regelrecht eingekesselt wird, brachte und bringt die abgeschiedene Lage viele Nachteile mit sich. Vor knapp zehn Jahren gerieten Rumburk und seine Nachbarorte sogar in die internationalen Schlagzeilen (zum Beispiel in der FAZ), als sich der Konflikt zwischen den tschechischen Einwohnern und der hier stark vertretenden Roma-Minderheit zuspitze. Die Eigentumsdelikte schnellten in die Höhe, es wurde geklaut, was nicht niet- und nagelfest ist – sogar Bahngleise, um sie als Altmetall zu verkaufen. Es kam zu Unruhen, die sich nicht zuletzt auch Neonazis aus Tschechien und Sachsen zunutze machten, so dass die Polizei sogar eine Sondereinheit mit 200 Beamten im Schluckenauer Zipfel installierte. Inzwischen ist offenkundig Ruhe in Rumburk eingekehrt, dennoch macht die Stadt optisch – wie so viele Orte im deutsch-tschechischen Grenzgebiet – weiterhin einen sehr ramponierten Eindruck. Im Zentrum sind zwar einige Gebäude saniert, ansonsten sieht es teilweise richtig böse aus. Weil man zwischen all dem abbröckelnden Putz der historischen Gebäude immer noch viele deutschsprachige Spuren entdecken kann, ergibt sich daraus ein ganz eigener Charme. Leider wenig historischen Charme besitzt das städtische Stadion von Rumburk, das noch nicht ganz so alt und obendrauf ziemlich gut ins Schuss ist. Dafür erleben wir dort ganz persönlich einen historischen Moment, denn als wir uns in der Halbzeitpause gerade unsere wohlverdienten Klobasas zu Gemüte führen wollen, kommt plötzlich ein Vereinsoffizieller des FK Rumburk hektisch auf uns zu und will unsere Eintrittskarten sehen. Wir denken zunächst, dass man uns bezichtigt, den Eintrittspreise in Höhe von umgerechnet 80 Cent nicht gezahlt zu haben, doch stattdessen schüttelt man mir die Hand und überreicht mir feierlich eine Geschenktüte, in der sich eine Flasche slowakischer Eierlikör befindet. Des Rätsels Lösung: Genau wie in Österreich ist es im tschechischen Fußball üblich, an Spieltagen eine Tombola zu veranstalten und Preise für die Zuschauer zu verlosen. Normalerweise muss man dafür separate Lose kaufen, hier im Rumburk ist aber die Eintrittskarte gleichzeitig ein Los – und meine Nummer 33 ist der Hauptpreis. Da das Ergebnis der Ziehung selbstverständlich nur auf Tschechisch verkündet wurde, haben wir davon nichts mitbekommen. Umso ehrenvoller, dass man sich den Preis nicht einfach selber einsteckt, sondern alles unternimmt, um den wahren Gewinner zu finden. Hach, wenn das mein Opa noch mitbekommen hätte, dass sein Enkel mal der ganz große Abräumer in seiner Heimatstadt ist...