Freitag, 15. Februar 2019, 20 Uhr
Saint-Gratien, Stade Michel Hidalgo
Nur drei Wochen nach der letzten
Paris-Tour steht ein erneuter Kurztrip nach Klein-Afrika an. Man muss
fragen: Warum auch nicht? TGV sei Dank ist die französische
Hauptstadt derart gut an Baden-Württemberg angebunden, dass man das viel häufiger machen müsste. Dass es jetzt schon zum dritten Mal innerhalb von
fünf Jahren rund um den Valentinstag in der Stadt der Liebe bin, hat
mit diesem speziellen Datum allerdings nichts zu tun, sondern nur
damit, dass Mitte Februar im französischen Fußball voller Betrieb
herrscht, während sich weite Teile Deutschlands noch in der
Winterpause befinden. Das beinahe schon erschreckend fluffige
Programm des heutigen Freitags sieht also so aus: Um 14.30 Uhr den
Arbeitsplatz verlassen, um 15.30 Uhr in Karlsruhe in den TGV steigen,
um 18 Uhr am Gare de l‘Est in Paris stehen. Wie eine S-Bahn-Fahrt.
Das Hotel im Afrikaner-Viertel Château Rouge ist ebenfalls schnell
bezogen, der letzte Besuch liegt ja auch erst 19 Tage zurück.
Pünktlich kann damit mit der Transilien am Gare du Nord in Richtung
Saint-Gratien gestartet werden. Die Transilien ist neben der Métro
und der RER das dritte wichtige öffentliche Verkehrsmittel in der
Île-de-France. Während die Métro fast ausschließlich innerhalb
der eigentlichen Pariser Stadtgrenzen unterwegs ist und die RER
sowohl in Paris als auch der banlieue verkehrt, fokussiert sich die
Transilien – wie der Name schon sagt – auf die Île-de-France.
Die Linien starten in der Regel an einem der Pariser Hauptbahnhöfe,
fahren dann erst einmal ein ganz Stück ohne Halt hinaus in die
Île-de-France und halten dort an fast jeder größeren Milchkanne.
Wer zur Entente Sannois Saint-Gratien will, sollte am Bahnhof
Ermont-Eaubonne aussteigen. Wie zumindest in der inneren
Île-de-France üblich sind die Orte mit den Nachbarorten
zusammengewachsen, so dass sich zusammen mit dem eigentlichen Paris
ein riesiges Knäuel mit mehreren Millionen Einwohnern ergibt. Das
Stade Michel Hidalgo, das sich direkt hinter dem Ortsschild von
Saint-Gratien befindet, ist nur gut 500 Meter von Bahnhof
Ermont-Eaubonne entfernt. Dass man auf diesen 500 Metern auch noch am
Ortsschild von Sannois vorbeiläuft, mit dem Saint-Gratien einen
gemeinsamen Fußballverein bildet, zeigt nur zu gut, dass die
Île-de-France praktisch nur ein großes Cluster ist. Mit der Entente
(Eintracht) aus Sannois und Saint-Gratien wird gleich mal zum
Wochenend-Auftakt Drittliga-Fußball geboten. Höherklassiger wird es
im Verlauf der Tour wie gewohnt nicht. 2006 hätte die Entente
aufgrund einer Lizenzverweigerung sogar in die Ligue 2 aufsteigen
können, was der französische Fußballverband jedoch verweigerte.
Der Verein ging durch alle juristischen Instanzen und bekam Recht,
allerdings verzögerte sich das Verfahren derart, dass die Entente
nachträglich in die Ligue 2 hätte aufgenommen werden müssen, was
dann selbst das Gericht für zu kompliziert hielt. Allerdings
musste der Verband eine halbe Million Euro Schadensersatz an den
Verein zahlen. Dieser hat das Geld offensichtlich in den Kauf von
Stahlrohrtribünen investiert, denn nicht weniger als zehn (!) von
ihnen stehen im Stade Michel Hidalgo. Das ist bestimmt europäischer
Rekord. Das Stadion wirkt dadurch ein bisschen ulkig, macht aber
trotzdem einen ganz vernünftigen Eindruck, zumal sich die Spuren des
ursprünglichen Stadions in Form der Haupttribüne und den kleinen
Stehrängen in den Kurven immer noch erkennen lassen. Zum Gustav Gans
mutiere ich kurz nach dem Anpfiff, als ich auf dem Boden plötzlich
eine VIP-Karte finde. Der großen Freude weicht aber schnell
Ernüchterung, denn dort gibt es kein Bier, sondern nur so eine Art
Fruchtbowle sowie trockenes Baguette. Wäre ja auch zu schön gewesen...