Ungarn, Megyei Bajnokság I – Budapest (4.Liga)
Samstag, 15. April 2023, 16 Uhr
Budapest, RKSK Sporttelep
Vom Budai II László Stadion geht es hinaus nach Rákosmente (genauer gesagt: in den Stadtteil Rákoscsba) im XVII. kerület, der der östlichste und flächenmäßig größte Stadtbezirk von Budapest ist. Viele Ortsnamen in dieser Ecke beginnen mit dem Zusatz „Rákos-“, was zuvor ja auch beim Rákospalotai EAC der Fall war. Grund dafür ist der kleine Fluss Rákos, der durch Pest und dann in die Donau fließt. Im Ungarischen werden solche Bezeichnungen vor den Ortsnamen gestellt und nicht wie im Deutschen dahinter. Mülheim an der Ruhr würde man also im Ungarischen als Ruhrmülheim bezeichnen. Sehr schön sieht man das am Balaton, wo fast alle Orte mit dem Zusatz „Balaton-“ beginnen, was man dagegen im Deutschen als „XYZ am Balaton“ bezeichnen würde. Obwohl Rákosmente so weit draußen liegt (es fühlt sich schon gar nicht mehr wie Budapest an) und der RKSK Sporttelep nun wahrlich nicht die eindrucksvollste Sportstätte der Stadt ist, hat er eine besondere Adresse, denn er liegt am Sport tér (Sport-Platz). Da gibt es sicherlich Dutzende andere Orte in der ungarischen Hauptstadt, die diese Adresse mehr verdient hätten. Überaus pfiffig ist dafür, dass an die Bushaltestelle des Sport tér eine Auswechselbank gestellt wurde, die dort nun als Wartehäuschen fungiert. Das ist auf jeden Fall ein Hingucker. Am mit einem Drehkreuz versehenen Eingang wird mir sofort wieder deutlich gemacht, warum ich den Fußball in Ungarn heute deutlich weniger mag als noch vor 20 Jahren. Reichlich Ordner sind unterwegs und machen die ganze Sache total unentspannt. Das war auch schon zuvor beim REAC-Spiel so. Ich frage mich wirklich, was das soll. Gerade einmal 150 Zuschauer sind da, ganz normales Amateurfußball-Publikum. Wofür braucht man da 20 Ordner? Aber die Antwort lautet mal wieder Viktor Orbán, der den Fußball in Ungarn grundlegend verändert hat – nicht nur in den oberen Spielklassen. Und auch nicht nur den Fußball, denn wenn ich sehe, an wie vielen Häusern allein hier im verschlafenen Rákosmente die blau-gold-blaue Székler-Fahne hängt, macht mich das wirklich nachdenklich. Vordergründig soll die Székler-Fahne Solidarität mit der ungarischen Minderheit in Rumänien ausdrücken, tatsächlich aber die von Orbán auch ganz offen so formulierte Wiederherstellung von Großungarn in den Grenzen von vor 1920. Ungarn hat natürlich eine sehr spezielle Geschichte und dass man nach dem Ersten Weltkrieg als Kriegsverlierer zwei Drittel seines Gebietes an die Nachbarländer abtreten musste, dort aber weiterhin fast ein Drittel der ungarischen Bevölkerung lebt, ist in Europa nicht vergleichbar. Man stelle sich vor, ein Drittel aller Österreicher würde in Südtirol leben. Dieser in Ungarn so offen zur Schau gestellte Revisionismus ist aus der deutschen Perspektive heraus dennoch gewöhnungsbedürftig, gerade in so trostlosen Ecken wie Rákosmente, wo die blau-gold-blauen Székler-Fahnen eigentlich die einzigen Farbtupfen sind. Ein solcher Farbtupfer ist aber zweifelsohne auch der RKSK Sporttelep, der in einem sehr gepflegtem Zustand ist. Drei nebeneinanderstehende Tribünchen plus zwei überdachte Bänke hinter dem Tor bilden den Ausbau.