Ferencvárosi TC – Budapest Honvéd FC 3:0

Ungarn, Nemzeti Bajnokság I (1.Liga)
Samstag, 15. April 2023, 19.30 Uhr
Budapest, Üllői úti Stadion

Die oberste Spielklasse in Ungarn habe ich komplett durch, dementsprechend selten sind für mich Besuche in der Nemzeti Bajnokság geworden. Da ich heute aber ohnehin in Budapest bin und mir die Fanszene von Kispest (Honvéd) mit ihrem Italo-Style sehr gefällt, geht es für mich wieder mal zum Népliget (Volkspark), an dessen Rand an der Üllői út das Stadion von Fradi liegt. Ferencváros (Franzstadt) im IX. kerület gilt ohnehin als raues Pflaster, erst recht aber bei Heimspielen des Ferencvárosi Torna Club (Franzstädter Turnclub), wenn Leute aus ganz Ungarn in den Spelunken und Außenbereichen der Kioske rumhängen. Fradi gilt zwar als eng verbunden mit dem IX. kerület, weshalb er neun Streifen im Vereinswappen trägt und in ihm auch das Kürzel „IX.K.“ steht, aber dennoch ist man als Rekordmeister so beliebt wie kein anderer Verein und hat in allen Ecken Ungarns und auch in den 1920 abgetretenen Gebiete Fans. Zusammen mit dem MTK ist Fradi übrigens der einzige ungarische Verein, der in allen Epochen (in der ungarisch-österreichischen Kaiserzeit, zwischen den Weltkriegen, während des Kommunismus und nach der Wende) Meister wurde. Eine ähnlich große Tradition besitzt das Üllői úti Stadion, in dem Fradi bereits seit 1911 seine Spiele austrägt. In den 2000er-Jahren hatte ich hier immer gerne Spiele gesehen, weil es wirklich Charme hatte, aber leider wurde 2014 ein kompletter Neubau errichtet, der mich nicht nur optisch wenig anspricht, weil es moderner Einheitsbrei ist, sondern der aufgrund der neuen Sicherheitsbestimmungen mit dem bereits angesprochenen Augen- und Venen-Scan absolut grenzwertig ist. Wie gesagt: Die Fanszene von Fradi hatte lange dagegen protestiert, schluckt die Kröte aber inzwischen. Mit dem 14-fachen Meister aus Kispest (Klein-Pest) ist heute die Nr.3 von Budapest zu Gast an der Üllői út, deren Fanszene eine besondere Geschichte hat, denn dort gibt es mit den 1991 gegründeten Ultras Kispest die älteste Ultras-Gruppe Ungarns. Der Legende nach berichtete nach der Wende die in Ungarn nach wie vor täglich erscheinende Sportzeitung Nemzeti Sport (Nationaler Sport) über die Ultras-Kultur in Italien und genau dieser Artikel soll Auslöser für den Beginn der Ultras-Kultur in Ungarn gewesen sein. Ob das wirklich stimmt, weiß ich nicht, aber es gibt mehrere Indizien, die dafürsprechen. Zum einen gründeten sich ab 1991 tatsächlich viele Ultras-Gruppen in Ungarn und viele von ihnen haben entweder einen italienischen Namen wie zum Beispiel die Nuova Guardia bei Kispest oder aber ihr Name lehnt sich an große italienische Gruppen an wie etwa bei den Mastiffs in Nyíregyháza. Zum anderen unterscheidet sich der Supportstil in den ungarischen Kurven grundlegend von dem in anderen früheren Ostblock-Ländern und er ist wesentlich italienischer geprägt. Früher mehr als heute, aber diesen Italo-Einschlag merkt man immer noch. Kispest ist dabei die ungarische Fanszene, die diese italienische Schiene am stärksten fährt. Passenderweise gibt es heute im zweitwichtigsten Budapest Derby gleich zu Beginn ein italienisches Spruchband im Gästeblock, mit dem man sich mit den befreundeten Ultras Chioggia in Venetien solidarisiert. Überhaupt gibt es auf beiden Seiten auffallend viele Spruchbänder. Die Ultras von Fradi hingegen waren – so zumindest meine Einschätzung – nie so richtig heftig italienisch angehaucht und bewegen sich stilmäßig immer mehr in diese typisch osteuropäische Ecke, in der es mehr auf Lautstärke und weniger auf Melodie ankommt. Fradi ist allerdings auch ein Massenverein und hat da ganz andere Voraussetzungen. Optisch ist der Heimblock heute dank dem häufigen Einsatz von Pyrotechnik und den vielen Spruchbändern zwar schön anzusehen, aber akustisch gefällt mir das nicht so sehr. Das ist natürlich eine reine Geschmackssache. Ich bin ja auch zum Beispiel überhaupt kein Freund von der polnischen Fankultur. Der Gästeblock kann sich leider nur selten wirklich Gehör verschaffen. Das, was bei mir auf der gegenüberliegenden Geraden ankommt, gefällt mir aber gut und ist sehr melodisch.