Schweiz, National League (Eishockey)
Samstag, 5. November 2022, 19.45 Uhr
Genève, Les Vernets
Am Abend steht das zweite Highlight dieser Genf-Tour an – und wieder geht es ein Stück weit um UGS. Ich habe nie verstanden, warum die Fußball- und die Eishockey-Abteilung von Servette verschiedene Fanszenen haben, die sich noch dazu gegenseitig nicht leiden können. Dafür ist ein Blick in die Vereinsgeschichte notwendig: La Servette ist das Viertel rund um den Genfer Hauptbahnhof, in dem sich 1890 der gleichnamige Fußballverein gegründet hat. Bereits 1905 bildete sich bei ihm die Eishockey-Abteilung. Stärkster Konkurrent in der Stadt war die Eishockey-Abteilung von UGS (Urania Genève Sport). 1963 kam es zur Fusion dieser beiden größten Genfer Eishockey-Teams. Anhand des Namens des neuen Fusionsvereins – Genève-Servette HC – war aber noch klar der Bezug zu Servette vorhanden, zumal UGS überhaupt nicht im Namen vorkommt. Auch die Vereinsfarben Weinrot und Weiß wurden von Servette übernommen. Der Genève-Servette HC hat somit auf dem Papier seit 1963 nichts mehr mit dem Hauptververein Servette zu tun und ist so gesehen auch nur zur Hälfte Servette, aber de facto hat man sich einfach nur ausgegliedert und dabei UGS geschluckt. Als Servette-Fan kann man sich formal also darauf berufen, dass der jeweils andere ja ein ganz anderer Verein ist, aber dass man sich nicht gegenseitig unterstützt und mitunter sogar feindselig gegenübersteht, ist für mich nicht nachvollziehbar. Heute ist der Feind jedoch ein ganz anderer, denn zu Gast ist Derby-Gegner Lausanne – mit der sicherlich besten Eishockey-Szene der französischsprachigen Schweiz. Gespielt wird in der 1958 eröffneten Halle Les Vernets. Ein richtig schönes, altes Ding. Man wundert sich, dass gerade im reichen Genf keine moderne Hochglanzhalle steht, hat doch Eishockey in der Schweiz und dort gerade im französischsprachigen Teil einen ganz anderen Stellenwert als etwa in Deutschland. Aber Genf ist halt nicht nur Hochglanz, sondern hat auch viele charmante Ecken – und darum mag ich diese Stadt und diesen Kanton ja so sehr. Es ist dieser interessante Mix aus unnahbarer High-Society-Welt, in der sich mitunter Weltpolitik abspielt, und den Überresten aus der Zeit davor, als das alles hier noch ganz normale Schweiz war. Die Halle ist beim Derby natürlich ausverkauft, 7.200 Zuschauer passen rein. Die Fanszene des Genève-Servette HC steht im Unterrang der Nordtribüne und nennt sich daher auch Parterre Nord Genève. Den Gästen steht auf der Südtribüne ein kleiner Bereich des Unterrangs zur Verfügung. Optisch geht man dort vollkommen unter, aber insbesondere durch eine größere Fahne des Kantons Vaud (von dem Lausanne der Hauptort ist) ist der Lausanne-Haufen klar zu erkennen. Mit der Stimmung ist es beim Eishockey immer so eine Sache. Einerseits braucht man in einer Halle nur wenig Leute, um laut zu sein. Andererseits ist die allgemeine Geräuschkulisse so hoch, dass nur schwer etwas durchdringt. Mein Fall ist Eishockey ehrlich gesagt nicht. Das gilt nicht nur für den Sport an sich, sondern auch für die Stimmung, eben weil die so schlecht durchdringt. Und so können auch hier beim Derby am Genfer See keine Wunder vollbracht werden. Man kann sich das schon gut mal geben und ich wollte dieses Spiel unbedingt sehen, aber 1x reicht eigentlich.