Sonntag, 8. März 2020, 15 Uhr
Herford, Platz hinter der Tribüne
Ein Blick ins Ludwig-Jahn-Stadion reicht und man weiß, dass in Herford nicht immer nur 6. Liga geboten wurde. Allerdings: Für den eigentlichen Zuschauerrekord des Stadions ist nicht der Fußball, sondern das früher in Deutschland sehr beliebte Feldhandball verantwortlich. 1964 kamen beim Finale um die deutsche Meisterschaft 30.000 Zuschauer ins Herforder Ludwig-Jahn-Stadion. Zur selben Zeit zogen die Fußballer von Arminia Bielefeld in Erwägung, im Falle eines Bundesliga-Aufstiegs nach Herford umzuziehen, da die Alm damals noch nicht bundesligatauglich war. Die große Herforder Fußballzeit begann dann 1972, als der Herforder SC und SuS Herford zum SC Herford fusionierten. Der Widerstand gegen den Zusammenschluss der beiden erfolgreichsten Herforder Vereine war groß, doch die Rechnung ging auf: Zwei Aufstiege innerhalb von vier Jahren und plötzlich stand der SC Herford in der erst kurz zuvor gegründeten 2. Bundesliga. In Herford herrschte regelrechte Euphorie, im Schnitt kamen 7.000 Zuschauer zu den Heimspielen. Die Gegner hießen damals unter anderem Alemannia Aachen, VfL Osnabrück und Bayer Uerdingen. Ein Glück war es für den SC Herford zudem, dass mit Arminia Bielefeld auch der große Nachbar damals nur in der 2. Bundesliga spielte. Zu den ostwestfälischen Derbys kamen an die 20.000 Zuschauer ins Ludwig-Jahn-Stadion. Sportlich kämpfte der SC Herford allerdings stets gegen den Abstieg und nach fünf Jahren war das Abenteuer Profifußball 1981 vorbei. Da half es auch nichts, dass die Herforder in ihrer letzten Zweitligasaison erstmals auf dem internationalen Transfermarkt zuschlugen und zwei Nationalspieler verpflichteten: Vesa Mars (Finnland) und Torwart John Bonello (Malta). Zwischenzeitlich bis in die Bezirksliga abgestürzt, sorgte der SC Herford 2009 erneut für Schlagzeilen, als er den ehemaligen Profi-Torwart Georg Koch als Trainer verpflichtete. Herford war Kochs erste Trainerstation. Er schaffte es jedoch nicht, den Verein von der Landes- in die Westfalenliga zu führen. Dort spielt er erst seit 2014 wieder. In Groundhopper-Kreisen ist der SC Herford dagegen berüchtigt, weil er so gut wie nie im Ludwig-Jahn-Stadion spielt, sondern fast immer auf den Nebenplatz ausweicht, der im Herforder Namens-Kauderwelsch die Bezeichnung „Platz hinter der Tribüne“ trägt. Im Stadion selbst genießt der Herforder SV (Frauenfußball) ein Vorzugsrecht, weil er höher als der SC Herford spielt. 2015 war der Herforder SV zuletzt in der Frauen-Bundesliga, nach zwei Abstiegen spielt er jetzt aber nur noch in der drittklassigen Regionalliga. Da muss man fragen, in wie weit da noch das Vorzugsrecht gerechtfertigt ist. Bei der Stadt Herford stellt man das nun offensichtlich auch infrage. Derzeit wird das Stadion saniert und ist unbespielbar, anschließend soll aber der SC Herford wieder häufiger auf dem Hauptplatz spielen dürfen. Höchste Eisenbahn also, den Platz hinter der Tribüne zu machen, der auf beiden Geraden immerhin zwei bzw. drei Stufen hat. Fanmäßig ist inzwischen gar nichts mehr los, früher gab es hier aber mal die 1996 gegründeten O-Saft Boys. Die hatten allerdings eine ziemliche Nähe zu Arminia Bielefeld und dort insbesondere zu den Boys Bielefeld – wie ja auch schon der Name vermuten lässt. Herford ist sowieso totales Arminia-Gebiet, wahrscheinlich sogar noch mehr als Bielefeld selbst, und in die Karten spielt zusätzlich, dass sowohl die Arminia als auch der SC Herford die Vereinsfarben Schwarz-Weiß-Blau haben. Man darf also durchaus anzweifeln, wie eigenständig diese Ultras-Kultur beim SC Herford wirklich war. Mit den 1980 gegründeten Pirates gab es jedoch auch einen Fanclub, der aus der erfolgreichen Zeit des Vereins stammt und auf den dieses Attribut nicht zutreffen dürfte. Auch von ihm ist aber nichts mehr zu sehen.