Samstag, 23. November 2019, 13 Uhr
Berlin, Volksparkstadion Mariendorf
Wie üblich wird in Berlin im Bezirk Tempelhof-Schöneberg übernachtet – nicht gerade ein Aushängeschild der Hauptstadt und damit genau das Richtige für uns. Da sich gleich ums Eck die Gedenkstätte Deutscher Widerstand befindet, können wir am Vormittag noch einen weiteren Punkt auf der Berlin-Liste abhaken. In dem sogenannten Bendlerblock befand sich im Dritten Reich das Oberkommando des Heeres der Wehrmacht, in dem die Widerstandsgruppe um Claus Schenk Graf von Stauffenberg das 20. Juli 1944 durchgeführte Attentat auf Adolf Hitler plante. Hitler überlebte knapp, Stauffenberg und seine Mitstreiter wurden im Hof des Bendlerblocks umgehend hingerichtet. 1968 wurde aus dem Gebäude samt Stauffenbergs Büro eine Gedenkstätte. Da 1993 hier auch der Zweitsitz des Bundesverteidigungsministeriums angesiedelt wurde, ist die Gedenkstätte eingebettet in eine nun wieder militärisch genutzte Anlage. Wer zur Gedenkstätte will und zur falschen Tür hineingeht, steht dann halt vor einem „Achtung, Schusswaffengebrauch!“-Schild. Deutlich entspannter geht es dagegen in Berlin-Mariendorf zu, dessen Volksparkstadion seit dieser Saison wieder bespielt wird. Nutzer ist der frühere Bundesligist Blau-Weiß Berlin, der durch den Aufstieg in die Oberliga von seinem kleinen Sportplatz an der Rathausstraße hierher umziehen musste. Blau-Weiß entstand 1927 durch eine Fusion des Berliner Thor- und Fußballclubs Union und dem BFC Vorwärts. Der TuFC Union war 1900 einer der 86 Gründungsvereine des DFB und wurde 1905 deutscher Meister im Finale gegen den Karlsruher FV. Der BFC Vorwärts wiederum wurde 1921 deutscher Vizemeister. Man kann bei Blau-Weiß Berlin also wirklich von einem absoluten Traditionsverein sprechen. In den 1980er-Jahren spielte er mehrfach in der 2. Bundesliga und stieg 1986 schließlich in die 1. Bundesliga auf, aus der er aber prompt sang- und klanglos mit nur drei Siegen wieder abstieg. Zuletzt spielte Blau-Weiß in der Saison 1991/92 in der 2. Bundesliga, ging pleite und löste sich auf. Die noch 1992 gegründete Sportliche Vereinigung Blau-Weiß Berlin 1890 sieht sich zwar als moralischer Nachfolger und nimmt Bezug auf das Gründungsdatum des BFC Vorwärts, ist formal aber ein neuer Verein. Das sind natürlich Spitzfindigkeiten, denn natürlich unterscheidet da niemand ernsthaft zwischen beiden Vereinen. Das merkt man auch an der kleinen Fanszene von Blau-Weiß, die ein Überbleibsel der erfolgreichen 1980er-Jahre ist und vom Stil her auch exakt in diese Zeit passt. Der 1989 gegründete Fanclub Havelszene hält noch immer zur Stange, auch wenn er streng genommen drei Jahre älter ist als der Verein. Die Truppe kann man eigentlich nur sympathisch finden, denn wer seinem Verein von der Bundesliga bis zur Kreisliga C folgt und das auch noch mit so wenigen Leuten, hat einfach nur tiefen Respekt verdient. Mit dem SC Staaken kommt der heutige Gegner ebenfalls aus Berlin und da auch der eine kleine Fanszene hat, erleben wir einen richtig schönen Fußballnachmittag im Volksparkstadion Mariendorf. Natürlich, der Support ist nur sporadisch, aber gerade in Kombination mit diesem verfallenen Stadion und der großen Vereinsgeschichte von Blau-Weiß macht das richtig viel Spaß.