Freitag, 8. November 2019, 21 Uhr
Sevilla, Colegio Portaceli
Das Stadtderby in Sevilla steht schon seit Jahren auf meinem Zettel, aber irgendwie hat sich das nie so richtig ergeben. Dieses Jahr aber erhebt Kollege Mäddes die Angelegenheit zur Chefsache und prescht frühzeitig mit der Planung voraus. Da es im Spätsommer den Ryanair-Flug von Memmingen nach Málaga und zurück schon für insgesamt unter 50 Euro gibt, bleibt ja gar nichts anderes übrig, als blind zuzusagen. Blind deshalb, weil zu diesem Zeitpunkt die Terminierung in keiner einzigen Liga feststeht und man – abgesehen vom Derby – auch die ganz große Niete ziehen kann. Und so kommt es dann auch: Maximal wird bei dieser Tour spanischer Viertliga-Fußball drin sein. Ganz besonders beschissen geht die Tour am heutigen Freitag los, denn A-Jugend-Partien sind in ganz Andalusien schon das Höchste der Gefühle. Ohnehin spielen in Spanien zwischen der 1. und der 4. Liga heute Abend nur drei Vereine: Real Sociedad, Ibarra und Girona – jeweils rund 1.000 Kilometer von Málaga entfernt. Dass in den fünftklassigen Autonómicas nur auf Teneriffa, Gran Canaria und Ibizia gespielt wird, muss ich bei unserem Glück wohl nicht extra hinzufügen. Man muss also eigentlich sagen: Wir können schon froh sein, überhaupt A-Jugend geboten zu bekommen. Dank früher Landung steht uns immerhin fast der gesamte Tag in Sevilla (knapp 700.000 Einwohner) zur Verfügung. Die andalusische Hauptstadt mit der größten Altstadt Spaniens ist wirklich ein Knaller, da kann man sich gar nicht satt sehen. Manche Ecken sehen so sehr wie aus dem Bilderbuch aus, dass man denkt, man befinde sich hier im spanischen Themenbereich eines Freizeitparks, der ein künstlicher Nachbau ist. Architektonisch offenbart Sevilla aber auch viel vom islamischen Erbe Andalusiens, was spätestens beim Blick auf die wuchtigen, quadratischen Kirchtürme auffällt, die ursprünglich Minarette von Moscheen waren. Nachdem die Christen im 13. Jahrhundert Andalusien eroberten, wurden die Moscheen einfach in Kirchen umgewandelt, die Gebäude an sich blieben jedoch die gleichen. Zudem besitzt Sevilla mit der Plaza de España eine Touristenattraktion, die einem sehr dunklen Kapitel der spanischen Geschichte gewidmet ist. Der 1929 angelegte Platz außerhalb der Altstadt, der eine beachtliche Größe von 50.000 Quadratmetern aufweist, besteht aus einem halbkreisförmigen Gebäude, das den gesamten Platz umspannt und an dessen Außenfassade jeder der 48 spanischen Provinzen eine eigene Nische mit Kacheln und Keramiken gewidmet ist. Die Mitte des Platzes, die durch einen künstlichen Fluss von dem Gebäude getrennt ist, steht wiederum für die spanischen Kolonien in Amerika. Die Symbolik dieses größenwahnsinnigen und extrem kitschigen Ensembles: Das mächtige Spanien umspannt seine Kolonien, die einzig durch das Meer vom Mutterland getrennt sind. An keiner Stelle des Platzes findet man Kritik am spanischen Kolonialismus, der durchweg als positiv dargestellt wird. Die Touristenmassen, die sich gut gelaunt vor den hübschen Kacheln fotografieren lassen oder eine kleine Bootsfahrt auf dem künstlichen Fluss unternehmen, tragen nicht unbedingt dazu bei, das alles mal zu hinterfragen. Mit Einbruch der Dunkelheit folgen wir derweil dem Lockruf von König Fußball und laufen zum Colegio Portaceli, das sich schräg gegenüber vom Stadion des Sevilla FC befindet. Das Schulgelände beherbergt mehrere Plätze für Fußball und Basketball, wobei sich nur zwei Fußballplätze für den Ligabetrieb eignen. Gespielt wird auf allen Plätzen auf Sand, was unsereins ja auch nicht alle Tage erlebt. Ebenso ungewöhnlich, ein Jugendspiel erst um 21 Uhr anzupfeifen, aber diesbezüglich ticken die Uhren im Süden Spaniens nun mal wirklich völlig anders. Auch aufgrund der angenehmen Temperaturen wird es ein netter Fußballabend, der etwas von Beach-Party hat, und da sich nicht weit vom Colegio entfernt ein Kiosk befindet, ist es nicht weiter schlimm, dass kein Getränkeverkauf stattfindet.