Samstag, 25. Mai 2019, 16 Uhr
Luzern, Sportanlage Hubelmatt
Der aufmerksame Leser dieses Blogs wird festgestellt haben, dass in letzter Zeit immer weniger vom FC Obermais zu lesen ist. Tatsächlich machen sich Auflösungserscheinungen bei der Deutschland-Sektion der Curva Sud bemerkbar. Wieso, weshalb, warum – dafür ist dieser Blog der falsche Ort. Zum Saisonende steht allerdings ein echtes Highlight beim FC Obermais an, das vielleicht größte der Vereinsgeschichte. Auf den letzten Drücker wurde der Meraner Stadtteilverein Vizemeister der Eccellenza Trentino Alto Adige und darf dadurch an den Playoffs um den Aufstieg in die Serie D teilnehmen. Das an sich ist schon der Knaller, aber als dann noch bekannt wird, wer dort der Gegner ist, sind alle wie elektrisiert: der ehemalige Erstligist AC Legnano aus der Lombardei. Mit den 1980 gegründeten Boys Lilla wartet somit auch auf den Rängen mal wieder ein ernsthafter Gegner. Hinzu kommt der politische Sprengstoff: Die Curva Sud des FC Obermais ist eine antirassistische Kurve, die Boys Lilla sind eine klar rechte Gruppe. Bereits in der Vorwoche fand das Hinspiel in Merano statt, zu dem die Boys Lilla mit etwa 60 Leuten angereist waren (siehe hier oder für bewegte Bilder hier). Die Carabinieri sorgten für eine strikte Fantrennung, so dass es zu keinem Kontakt zwischen beiden Szenen gab. Allerdings legte es die Curva Sud auch nicht darauf an.
Klar war für die Deutschland-Sektion, trotz der laufenden Diskussion über den Fortbestand der Gruppe beim Rückspiel in der Lombardei, das in den Vorort Inveruno verlegt wurde, dabei zu sein. Ohne Fahne, nicht als Gruppe, sondern allein dem FC Obermais wegen. Und irgendwo auch als persönliches Abschiedsfest, weshalb die Fahrt nicht mit der Curva Sud im Bus ab Merano angetreten wird, sondern für uns allein im Zug über die Schweiz direkt nach Legnano, wo wir schon am Vorabend eintreffen werden. Selbstverständlich wird auf dem Weg dorthin ein Spiel mitgenommen, das wirklich gar nichts besonderes sein soll, sondern einfach nur gemütlich eingebettet in dieses Wochenende voller nostalgischer Gespräche. Oder anders gesagt: Es muss verkehrsgünstig liegen. Durch Luzern müssen wir ohnehin durch und da trifft es sich gut, dass der FC Luzern II ein Heimspiel hat. Gespielt wird auf der Sportanlage Hubelmatt, die quasi der Nebenplatz des großen Luzerner Stadions ist und über eine geräumige Tribüne verfügt, die sich mit ihrer goldenen Verkleidung voll in die Architektur des großen Stadions einfügt. Perfekt geeignet für diese Tour, die direkt nach Abpfiff im Bordrestaurant des Intercitys nach Lugano fortgesetzt wird. Zu später Stunde erreichen wir dann endlich Legnano, wo an diesem Wochenende das Stadtfest stattfindet und in den Altstadtgassen bis tief in die Nacht hinein Halligalli geboten ist. Auffallend ist aber auch, dass fast an jeder Ecke etwas von Casa Pound und anderes faschistisches Zeug zu finden ist. Die politische Einstellung der Boys Lilla wundert somit nicht. Worin das gipfelt, bekommen wir am nächsten Tag zu spüren. Die Kurzversion: Die Boys Lilla greifen den Bus der Curva Sud direkt bei der Ankunft in Inveruno an und entglasen die Scheiben, woraufhin der Bus wenig ruhmreich den sofortigen Rückzug antritt. Zu diesem Zeitpunkt sind übrigens keine fünf Carabinieri am Stadion – und im Stadion war nicht einmal eine Blocktrennung vorgesehen. Heim- und Gäste-Ultras hätten sogar den gleichen Bierstand benutzen sollen. Die Mannschaft des FC Obermais weigert sich daraufhin, das Spiel anzutreten, solange nicht für die Sicherheit der eigenen Fans garantiert werden könnte. Der Schiedsrichter sagt das Spiel daraufhin ab, das Sportgericht wird die Partie anschließend mit einem 3:0-Sieg für Legnano werten, da angeblich genügend Sicherheitskräfte vor Ort gewesen wären. Es war laut Sportgericht somit grundlos, dass der FC Obermais nicht antreten wollte. Ein Video von den Ereignissen kurz nach dem Angriff auf dem Bus gibt es hier: https://www.youtube.com/watch?v=0c23WFmcxdA