Freitag, 8. März 2019, 19.45 Uhr
Singapore, Our Tampines Hub
Air China lockt aktuell mit sündhaft
günstigen Flugpreisen, so dass man schon für unter 400 Euro nach
Südostasien kommt. Hin- und Rückflug, versteht sich. Natürlich mit
Umstieg in der Volksrepublik, aber das soll angesichts solcher Preise
ja nun wirklich nicht das Problem sein. Wer obendrauf einen Gabelflug
auswählt, der Hoppern in der Regel sowieso entgegenkommt, fliegt
noch mal für ein paar Euro weniger. Es geht damit auf einen für
mich noch komplett weißen Flecken auf der Landkarte, was die
Organisation umso einfacher macht. Denn: Wo man noch keine Grounds hat, kann man sich hürdenfrei bewegen. In Erinnerung bleibt der Umstieg
in Peking. Das gilt sowohl für eine noch nie gesehene Dichte an
Überwachungskameras als auch für die Humorlosigkeit bei der
Sicherheitskontrolle. Sowieso ungewöhnlich, beim Transfer noch
dreimal kontrolliert zu werden. Dass einer der Polizisten vor einer
Warteschlange einfach den Kopf auf den Tisch legt und eine Runde
schläft, erlebt man zumindest in Europa auch nicht oft. Lang lebe
der Sozialismus! Die Chinesen in der Warteschlange nehmen es gelassen
zur Kenntnis und stellen sich einfach eine Reihe weiter noch mal neu
an. Die Europäer hingegen schauen sich völlig fassungslos an. Ein
ganz anderer Wind weht bei der Einreise in Singapur. Netter Smalltalk
mit dem Zöllner, alles gut organisiert. Unmissverständlich ist aber
auch der rote Aufdruck auf der Einreisekarte: Todesstrafe für
Drogenhandel. Immer wieder begegnen einem auch die Hinweistafeln, die
hohe Strafen für Müll wegwerfen, das Kauen von Kaugummis oder sogar
das Trinken von Wasser androhen. Sie haben dem Stadtstaat den
Beinamen „Fine City“ eingebracht. Ich denke aber, dass vieles in
Wahrheit gar nicht (oder zumindest nicht mehr) so streng gehandhabt
wird. Beispielsweise in Dubai ist das ja auch nicht viel anders. Es
gibt unter anderem das Gerücht, dass schon allein die Einfuhr von
Kaugummi verboten sei. Das mag vielleicht mal so gewesen sein. Heute
kann man praktisch in jedem Seven Eleven Kaugummis kaufen. Die gute
Organisation setzt sich nach der Einreise nahtlos fort, so dass trotz der späten Landung kurz vor Mitternacht die
Unterkunft im indischen Stadtteil Little India schnell erreicht ist.
Unterkünfte sind zwar in Singapur nicht unbedingt billig, allerdings
gibt es hier haufenweise Kapselhotels, wie man sie aus Japan kennt.
Hier nennen sie sich „Pod Hotels“. Es handelt sich dabei um
abschließbare Schlafkabinen, die im Prinzip nicht viel größer sind
als ein Sarg, aber fast allen Komfort bieten. Dazu gehört
insbesondere eine Klimaanlage, denn Singapur liegt genau auf dem
Äquator, wodurch das Klima für den Europäer durchaus
gewöhnungsbedürftig sein kann. Teilweise sind die Pods sogar mit
Fernsehern ausgestattet. Vor allem aber sind sie günstig, so dass
man bereits ab 30 Euro in ihnen übernachten kann. Meine späte
Landung kurz vor Mitternacht würde sich zwar dafür anbieten, genau
das zu tun, aber die Zeitumstellung fordert ihren Tribut, so dass
noch bis 4 Uhr morgens durch die Gassen von Little India gewatschelt
wird. Macht auf jeden Fall einen ganz netten Eindruck. Singapur gilt
als easy und idealer Asien-Einstieg. Das lässt sich soweit
bestätigen. Für den nächsten Tag ist eigentlich eine ausführliche
Stadtbesichtigung vorgesehen, doch da das Hirn wegen der
Zeitumstellung noch nicht so ganz mitspielt, wird zunächst die
Relax-Karte gespielt. Singapur ist zwar eine Insel, ist aber umgeben
von mehreren weiteren kleinen Insel. Eine davon ist Sentosa. Da Singapur mit
Malaysia über zwei Brücken verbunden ist (und damit rein geografisch
keine Insel im eigentlichen Sinne mehr ist) und auch Sentosa mit
Singapur über eine Brücke verbunden ist, gilt Sentosa als der
südlichste Punkt Festland-Asiens. Sentosa ist eine Freizeitinsel mit
mehreren vergnügungspark-ähnlichen Attraktionen. Auch die Universal
Studios betreiben auf der kleinen Insel einen Standort. Alles wirkt
zwar sehr künstlich (wie generell in Singapur), aber trotzdem
verfügt die Insel auf ihrer Südseite über einige traumhafte
Sandstrände, deren Zugang völlig kostenfrei ist. Auch die Monorail,
die Sentosa mit Singapur verbindet, ist für die Fahrt zwischen den
drei Bahnhöfen auf Sentosa sowie für den Rückweg nach Singapur
gratis. Nach Sentosa kommt man auch zu Fuß – und das natürlich
auf die Singapur-Art: auf überdachten Rollbändern. Den ganzen Tag
am Strand rumhängen kommt aber nicht infrage, zumal der Stadtstaat
durchaus einen Blick wert ist. Touristisch sind vor allem die
Downtown mit ihren Wolkenkratzern sowie das alte Kolonialviertel
Pflichtprogramm. Ansonsten weiß Singapur mit seiner multikulturellen
Gesellschaft zu punkten. Die Mehrheit bilden mit 76 Prozent die
Chinesen. Die beiden anderen großen Bevölkerungsgruppen sind Inder
und Malaien. Da wundert es nicht, dass die ehemalige britische
Kolonie gleich vier Amtssprachen hat: Chinesisch, Englisch, Malaiisch
und Tamil. Gleiches gilt für die Religionen. Der Islam ist zwar
Staatsreligion, wie man auch unschwer am Halbmond auf der
Nationalflagge erkennen kann, aber nur 14 Prozent der Einwohner
Singapurs sind Muslime. Die Mehrheit bilden die Buddhisten (33
Prozent), hinzu kommen Christen (19 Prozent), Daoisten (10 Prozent)
und Hindus (5 Prozent). Selten sieht man irgendwo einen derart
kulturellen und religiösen Mix auf der Welt wie hier. Sehr, sehr
spannend. Fußball wird in Singapur natürlich auch gespielt,
allerdings mehr schlecht als recht. Mit der S League gibt es eine
halbprofessionelle Liga, die am heutigen Freitag in die neue Saison
startet. Die Liga ist geschlossen, es gibt keine Absteiger in die
ebenfalls vorhandene 2. Liga. Neun Mannschaften spielen in der S
League, darunter sechs singapurische Vereine plus ein Verein aus dem
Sultanat Brunei, der singapurische Ableger des japanischen
Profivereins Albirex Niigata sowie die U23-Nationalmannschaft von
Singapur. Irres System, aber ich kann Euch schon mal verraten: Später
in Malaysia wird‘s noch kurioser! Die Tampines Rovers sind einer
der sechs regulären Vereine der S League, die ihre Heimspiele im
Einkaufszentrum Our Tampines Hub unweit der Metro-Station Tampines im
Osten der Insel austragen. Ja, richtig gelesen: Einkaufszentrum.
Singapur ist ein hyper-modernes Land, da wundert so etwas eigentlich
nicht. Als Europäer schaut man trotzdem ziemlich verdutzt aus der
Wäsche. Leider gibt es nur eine Kasse, leider ist die Schlange dort
extrem lang, leider bin ich erst 10 Minuten vor Anpfiff da. Zum
Länderpunkt zu spät kommen – das darf eigentlich nicht wahr sein.
Wie von Geisterhand taucht dann aber ein alter Inder mit ein paar
Freikarten auf, die er den Leuten ganz hinten in der Schlange schenkt
– und damit auch mir. Mit Einlaufen der Mannschaften bin also auch
ich im Stadion. Die Rovers gehören mit acht Meistertiteln (zuletzt
2013) zu den erfolgreicheren Mannschaften Singapurs, der
Polizei-Verein Home United kommt immerhin auf zwei Meistertitel. Viel
los ist deswegen aber trotzdem nicht, aber das wurde in Singapur ja
auch gar nicht erwartet. Umso schriller ist das Stadion mit den
ständig laufenden Ventilatoren über den Köpfen der Zuschauer, den
Zuckerwatte-Ständen und den Glaswänden des Einkaufszentrums, die an
drei Seiten das Spielfeld ummauern. Teilweise hat man von den Emporen
der Mall oder auch dem KFC-Restaurant direkt hinter dem Tor einen
besseren Blick aufs Spielfeld. Bei KFC muss man übrigens auch seine
Getränke holen, denn Zuckerwatte wird zwar im Stadion verkauft,
Getränke aber nicht. Bei den Temperaturen hier auf dem Äquator für
Europäer ist das natürlich nicht ohne Flüssigkeit auszuhalten.
Nach dem Spiel geht’s dann zum
heimlichen Wahrzeichen von Singapur, dem Hotel Marina Bay Sands mit
seinen drei markanten Türmen. Das ist aber nicht mein Hauptziel,
sondern der dahinterliegende neue botanische Garten, der gerade bei
Dunkelheit absolut atemberaubend ist. Durch die tropischen Geräusche
und die interessante Beleuchtung entsteht in Kombination mit dem
warmen Klima eine einzigartige Atmosphäre, bei der man mal locker ne
Stunde lang die Seele baumeln lassen kann.