Freitag, 29. März 2019, 17 Uhr
Pforzheim, Holzhofstadion
Das alljährliche Kickers-Spiel steht
auf dem Programm und schon vor dem Anpfiff verdeutlicht mir der
Verein einmal mehr sehr eindrucksvoll, warum ich auf ihn keine Lust mehr habe. Es
wird wirklich jedes Fettnäpfchen mitgenommen, das auch nur entfernt
in der Nähe steht. Eigentlich wollte der 1.CfR Pforzheim zur
Rückrunde ins Stadion im Brötzinger Tal ziehen, das aber – und
täglich grüßt das Murmeltier – immer noch nicht fertig renoviert
ist. Das letzte Mal war ich im August 2014 im Holzhofstadion im Baden-Pokal gegen Waldhof Mannheim (LINK) und schon damals hieß
es, dass dies vermutlich das letzte Spiel im Holzhof sei. Es wird aber weiter dort gespielt. Da das
Flutlicht im Holzhof aber zu schwach ist und die Partie somit nicht wie
geplant am Freitagabend um 19 Uhr angepfiffen werden kann, wollten
die Pforzheimer das Spiel auf Samstag verlegen. Dagegen stellten sich
jedoch die Kickers, weil sich Neuzugang Pedro Astray für das
Wochenende schon einen Flug nach Spanien gebucht hatte, und stimmten
stattdessen für den Vorschlag von Verbandsseite, das Spiel am
Freitag auf 17 Uhr vorzuziehen. Die Kickers-Fans laufen bei dieser frühen
Anstoßzeit natürlich Sturm (Link zum Artikel der Stuttgarter Nachrichten), zumal man am Freitagabend auf der A8 zwischen Stuttgart
und Pforzheim absolute Stau-Garantie hat. Da kommt man ums Urlaub
oder Überstunden nehmen nicht herum und fühlt sich als Fan mal
wieder so richtig wertgeschätzt. Im Normalfall würden bei diesem –
sportlich entscheidenden – Spiel weit über 1000 Stuttgarter mitfahren,
so sind‘s dann nur 600. Dem 1.CfR Pforzheim bescheren die insgesamt
922 Zuschauer dennoch einen neuen Saisonrekord. Unterm Strich ist das
eine ziemlich erbärmliche Zahl, aber der 1.CfR hat ohnehin mit den
schlechtesten Zuschauerschnitt der Oberliga Baden-Württemberg und
liegt hinter Dorfvereinen wie Ilshofen und Linx. So richtig
überrascht das aber nicht, denn der 2010 aus den früheren
Erzrivalen 1. FC Pforzheim und VfR Pforzheim (beides ehemalige
Zweitligisten) entstandene 1. Club für Rasenspiele wird vom
Pforzheimer Publikum bis heute nicht angenommen. Zu groß ist die
Rivalität zwischen FCP und VfR. Zudem ist der 1.CfR nicht
ganz unschuldig, dass beide Vereine noch immer nicht zusammenkommen, denn das Holzhofstadion – das Stadion des früheren
VfR – ist noch heute klar als VfR-Stadion zu erkennen. Überall
entdeckt man noch das alte VfR-Wappen, selbst auf Straßenschildern
ist es noch als VfR-Stadion ausgeschildert. Dass der Stadionsprecher
kurz vor dem Anpfiff „Lasst die Rassler los“ durchs Mikro brüllt,
macht die Sache nicht besser. „Rassler“ ist der alte Spitzname
des VfR Pforzheim. Er fußt auf der Tradition des Schmuckhandwerks in
der Goldstadt Pforzheim. Früher kamen die Arbeiter mit schweren
Stahlschuhen in die Stadt, die auf dem Kopfsteinpflaster ein
rasselndes Geräusch erzeugt haben. Später wurde der Name ein
Synonym für den VfR. Der größere Vereine war jedoch immer der 1.FC
Pforzheim, der bis zur Fusion 2010 auch eine Ultras-Szene hatte, die
dem neuen Konstrukt aber den Rücken gekehrt hat. Im Dezember 2018
gründeten sie übrigens den 1.FC Pforzheim neu. Er wird ab der
kommenden Saison in der Kreisklasse C in den Spielbetrieb einsteigen
und seine Heimspiele im Bohrain-Sportpark austragen – ein
Non-League-Ground, in dem bislang kein Spielbetrieb stattfindet. Es
könnte gut möglich sein, dass der neue 1.FC Pforzheim in der
Kreisklasse C einen höheren Zuschauerschnitt hat als der 1.CfR in
der Oberliga. Ähnliches ist ja auch in Heilbronn mit der Neugründung
des VfR Heilbronn zu beobachten – ebenfalls ein ehemaliger
Zweitligist. Passenderweise wird der neue FCP im Juli sein
allererstes Testspiel gegen den neuen VfR Heilbronn austragen. Man
muss aber auch sagen, dass es ein paar wenige FCP-Fans gibt, die zum 1.CfR
gehen. So hängen auch heute auf Pforzheimer Seite zwei Zaunfahnen
und die Leute dahinter tragen Szene-T-Shirts mit dem FCP-Logo. Die
schauen jedoch 90 Minuten lang das Spiel nur stumm an. Anders sieht es im
Gästeblock aus, wo die Stuttgarter Ultras zwar aufgrund des Staus erst ein paar
Minuten nach Anpfiff auftauchen, danach aber relativ konstant
supporten – auch wenn man mit Blick auf den hohen sportlichen
Stellenwert der Partie doch mit etwas mehr Motivation rechnen könnte.
Mit Einbruch der Dunkelheit gibt‘s obendrauf ein paar Bengalos. Auf
dem Platz greifen die Kickers dafür wieder voll in die Scheiße und
sind auf dem besten Weg, ihren Fünf-Punkte-Vorsprung an der
Tabellenspitze zu verspielen. Wundern würde es nicht, wenn der
eigentlich sichere Wiederaufstieg des selbsternannten „FC Bayern der
Oberliga“ am Ende doch nicht klappt.