Türkiyemspor Berlin – Frohnauer SC 2:2

Deutschland, Berlinliga (6. Liga) 
Sonntag, 24. November 2019, 14 Uhr 
Berlin, Willy-Kressmann-Stadion 

Wer diesen Blog verfolgt, der wird erkennen, dass ich eine große Sympathie für Deutschlands Migrantenvereine habe, die bei mir bei der Spielauswahl im Zweifel immer den Vorzug bekommen. Heute ist endlich der berühmteste Vertreter dieser Spezies an der Reihe. Dass diesem Verein sogar ein Lied der rechtsradikalen Rockband „Landser“ gewidmet wurde, spricht für die Relevanz von Türkiyemspor. Inhaltlich verhöhnt das Lied zwar den Verein, tatsächlich muss es als eine Art Adelung betrachtet werden. Wenn ein Migrantenverein Neonazis so derart auf die Palme bringt, dann hat er alles richtig gemacht. Türkiyemspor (Türkiyem = meine Türkei) ist zwar der bekannteste Migrantenverein Deutschlands, aber nicht einmal in Berlin der älteste. Erst 1978 wurde der Verein als BFC Izmirspor in Kreuzberg gegründet und fuhr schnell sportliche Erfolge ein, weshalb er auch unter den Westberliner Türken schnell beliebt wurde. Schon in den unteren Ligen war die Zuschauerzahl knapp vierstellig. Zum Vergleich: In den 80ern spielte Hertha BSC teilweise vor unter 2.000 Zuschauern. Bedingt durch den Sonderstatus von Berlin, das im westdeutschen Fußball eine eigene 3. Liga besaß, war es für Berliner Vereine in dieser Zeit vergleichsweise einfach, nach oben zu kommen, weshalb Tükiyemspor schließlich an der Tür zum Profifußball anklopfte. Seit 1987 nannte sich der Verein mittlerweile so, weil er nicht mehr nur die Berliner aus Izmir, sondern aus der ganzen Türkei vertreten wollte – und auch tat: Bis zu 12.000 Zuschauer kamen nun zur den Spielen von Türkiyemspor. In der Saison 1987/88 lieferte sich Türkiyemspor ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit TeBe um den zweiten Tabellenplatz hinter Hertha BSC, der zur Teilnahme an der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga berechtigte, am Saisonende ging jedoch die Puste aus. Außerdem war Türkiyemspor im Berliner Landespokal sehr erfolgreich und qualifizierte sich mehrfach für den DFB-Pokal. Es schien eine Frage der Zeit, bis zum ersten Mal ein Migrantenverein in der 2. Bundesliga vertreten sein sollte – und dann fiel die Mauer. Im wiedervereinten Deutschland verlor Westberlin seine Sonderstellung und wurde Teil des Nordostdeutschen Fußballverbands. Türkiyemspor musste nun bei Auswärtsspielen erstmals hinaus aus Berlin und verursachte kurz nach der Wende in den neuen Bundesländern einen Kulturschock – beiderseits. In der Chronik von Türkiyemspor heißt es unter anderem: „Wie schon in der Saison 91/92 kam es auch in diesem Jahr zu rassistischen Zwischenfällen beim Spiel Energie Cottbus gegen Türkiyemspor. Reichskriegsflaggen, Hitlergrüße, ausländerfeindliche Beschimpfungen von Fans und Spieler sowie massive Steinwürfe und mehrfacher Leuchtspurmunition-Beschuss bei der Abfahrt der Busse, wobei auch Busscheiben zu Bruch gingen, begleiteten uns, während am gleichen Tag in Berlin der damalige Bundespräsident Weizäcker und die politische Prominenz auf einer Großkundgebung vor Hunderttausenden das vereinigte Deutschland nach den pogromartigen Zwischenfällen in Rostock, Hoyerswerda und auch Cottbus vom Ruf der Ausländerfeindlichkeit und dem Rassismus reinwaschen wollte. Während wir an einer Landstraße mit unserem Bus halten mußten, um die zerstörten Scheiben zu sichern und einen verletzten Türkiyemfan versorgten, kam über Radio die Meldung, dass der Bundespräsident in Berlin von aufgebrachten Demonstranten beworfen wurde, so dass er seine heuchlerische Rede unterbrechen mußte.“ In den 90ern pendelte der Verein dann unter dem Dach des NOFV zwischen Regional-, Ober- und Verbandsliga – weit entfernt von der 2. Bundesliga. Immerhin: So ganz stürzte Türkiyemspor nie ab und ist heute immerhin noch in der Berlinliga. Der Kult um den Verein insbesondere unter den Berliner Türken existiert allerdings nicht mehr. Nur rund 100 Zuschauer sind es heute gegen den Frohnauer SC. Man muss also das Kopfkino einschalten und sich vorstellen, was hier wohl in den 80ern so los war auf den heute verwaisten Stufen des Willy-Kressmann-Stadions, das damals noch Katzbachstadion hieß. Immerhin wird für die paar Nasen Sucuk gegrillt, was hier natürlich definitiv dazugehört.