Schweiz, Testspiel
Samstag, 4. Juli 2020, 14 Uhr
Unterägeri, Sportplatz Chruzelen
Mit ein bisschen Zeitpuffer geht es von Goldau ins 19 Kilometer entfernte Unterägeri (9.000 Einwohner), das bereits im Kanton Zug liegt. Die Autofahrt führt malerisch vorbei am Ägerisee und da noch genügend Zeit vorhanden ist, drängt es sich geradezu auf, ein halbes Stündchen am Ufer zu verbringen. Wie so oft in der Schweiz kann man auch in diesem Fall nur sagen: traumhaft! Am Sportplatz Chruzelen des FC Aegeri (bewusste Eigenschreibweise mit Ae) wird’s dann aber reichlich alptraumhaft. Das Schild am Eingang, das darauf hinweist, dass nur Spieler, Betreuer und Funktionäre die Anlage betreten dürfen, lassen wir mal gekonnt links liegen. Viel schlimmer der Blick aufs Spielfeld: Zwar stehen sich zwei Mannschaften gegenüber, statt Trikots mit Rückennummern tragen die Spieler aber nur Trainings-Shirts, keine Schienbeinschoner und jede Mannschaft besteht aus lediglich zehn Spielern. Ein offizieller Schiedsrichter ist nicht im Einsatz und die erste Halbzeit dauert ebenso keine 45 Minuten. Spätestens jetzt wird klar: Das angedachte Testspiel gegen Olympique Lucerne wurde kurzfristig abgesagt und stattdessen ein Trainingsspiel zwischen der ersten und zweiten Mannschaft des FC Aegeri eingeschoben. Zwar unter relativ realistischen Wettkampfbedingungen, aber nicht komplett konformen Bedingungen – und auch nicht unter dem Dach der Schweizer Fußballverbands. Das ganze Szenario ist eigentlich aberwitzig, weil gut 30 Zuschauer gekommen sind und fast die Hälfte davon Hopper sind, die entweder nichts von der Absage des Testspiels mitbekommen haben oder einfach trotzdem nach Unterägeri gefahren sind. Der Verein ist von dem großen Publikumsinteresse an einem Trainingsspiel sichtlich überrascht, weshalb sich der Mannschaftskapitän in der Halbzeitpause etwas baff vor die Tribüne stellt und den Zuschauern für ihr Kommen dankt. Was für eine herrliche Situationskomik! Etwas ernster muss man sich aber darüber Gedanken machen, ob man den Ground hier zählen kann. Für viele Hopper ist ja bei der Zählweise die Verbandszugehörigkeit ausschlaggebend. Im Großen bedeutet das: Statt Großbritannien sind dann England, Wales, Gibraltar etc. eigene Länderpunkte und hier in den Alpen zählen sie nicht den Länderpunkt Liechtenstein, wenn dort ein Spiel unter dem Dach der Schweizer Fußballverbands stattfindet (zu dem die Liechtensteiner Vereine in der Liga ja gehören). Steht also der Verband im Mittelpunkt der Zählweise, dürfte man dieses Trainingsspiel nicht zählen – nicht als Länderpunkt, aber auch nicht als Ground. Denn genauso gut könnte man dann einfach auf der Wiese vor dem Reichstag in Berlin ein Spielfeld abgrenzen, dort zwei Mannschaften in einheitlichen T-Shirts gegeneinander Fußball spielen lassen und das als Ground zählen. Für mich dagegen steht bei der Zählweise der Verbandsaspekt nicht zwingend im Vordergrund, zumal ich hoffe, dass sich irgendwann aus den Reihen der Fans ein Parallelverband zu DFB, UEFA und FIFA gründen wird. Aus meiner Sicht dürfen die (heute noch konkurrenzlos existierenden) Verbände kein Monopol haben, einzig und allein den Fußball zu repräsentieren, und dementsprechend darf es dann auch nicht ausschlaggebend sein, ob ein Spiel unter dem Dach eines Verbandes stattfindet. Diese Sichtweise verträgt sich natürlich nicht mit einer Länderpunkt-Zählweise nach Verbänden statt nach Staaten. Vielleicht reichlich nerdige Gedankengänge, aber es hängt halt alles mit allem zusammen und was man im Großen will, muss man dann halt auch im Kleinen umsetzen. Und trotzdem: So richtig schlüssig bin ich mir noch nicht, ob ich diesen Ground hier zählen kann.