Sonntag, 18. August 2019, 11 Uhr
Bielefeld, Sportplatz Ravensberger Straße
Am heutigen Sonntag stehen familiäre Verpflichtungen auf dem Programm, so dass es leider nichts mit Amateurfußball bis zum Umfallen in Bielefeld wird. Am Vormittag klafft aber noch eine Lücke im Terminplan, die für einen Besuch an der Ravensberger Straße genutzt wird. Der dortige Sportplatz im Bezirk Mitte ist der zentralste in Bielefeld (nur etwa 1.200 Meter vom Rathaus entfernt) und für mich gleich aus zwei Gründen ein besonderer: Zum einen befindet er sich nur rund zehn Gehminuten von meinem neuen Bielefelder Domizil entfernt und ist damit ganz entspannt zu Fuß zu erreichen. Zum anderen bin ich in genau diesem Viertel aufgewachsen, der Sportplatz Ravensberger Straße ist damit sozusagen mein Heimatground – obwohl ich hier nie zuvor gewesen bin. Markant für das gesamte Viertel und damit auch für den Sportplatz ist das Städtische Krankenhaus, das mit seinen 13 Geschossen zu den höchsten Gebäuden der Stadt gehört und wie eine Mischung aus Plattenbau und Centre Pompidou wirkt. Optisch eher ein Schandfleck, für die Leute hier aus dem Viertel aber ein Stück Heimat. Dass dort meine kleine Schwester geboren wurde, verstärkt meine persönliche Bindung zu dem Gebäude. Der Sportplatz hingegen ist keine echte Heimat für irgendeinen Verein. In Verbindung bringen könnte man ihn mit dem TSV Einigkeit Bielefeld, dessen Sporthalle in unmittelbarer Nähe steht, jedoch besitzt er gar keine Fußball-Abteilung (dafür bietet er aber unter anderem Eishockey an). Dass hier überhaupt ein Sportplatz steht, hat wahrscheinlich allein mit dem angrenzenden Ceciliengymnasium zu tun, die ihn für den Schulsport nutzt. Im Spielbetrieb dient der Platz verschiedenen Migrantenvereinen, darunter auch dem KSC Bosna i Hercegovina Bielefeld. Man sieht dem Gelände aber deutlich an, dass sich niemand so richtig dafür verantwortlich fühlt. Herzblut sucht man hier genauso vergeblich wie einen Bierstand. Mit Anpfiff werde ich gleich mal wieder mit einer Bielefelder Eigenheit des Amateurfußball konfrontiert, die mir nach all den Jahren schon ganz entfallen war. Überall anders auf der Welt stellen sich die Mannschaften nach dem Einlaufen in einer Reihe im 90-Grad-Winkel zur Mittellinie auf, grüßen das Publikum und klatschen sich dann ab. In Bielefeld jedoch stellen sich die Mannschaften parallel zur Mittellinie und getrennt voneinander auf und schauen sich gegenseitig in die Augen. Der Mannschaftskapitän ruft dann laut: „Wir begrüßen unseren Gegner mit einem kräftigen...“. Die restlichen zehn Spieler brüllen dann laut im Chor den zweiten Teil der Parole, die in den meisten Fällen „frisch – auf“ oder „fair – play“ lautet. Ich habe das bislang noch nie außerhalb von Bielefeld gehört, kenne das aber auch noch aus meiner eigenen Zeit als Jugendfußballer in Bielefeld, wo man das schon in der F-Jugend macht. Im Falle des FC Altenhagen antworten dem Kapitän heute allerdings nicht die restlichen zehn, sondern die restlichen neun Mitspieler, denn der Verein aus dem äußersten Bielefelder Nordosten schafft es personell nicht, in voller Stärke aufzulaufen. Sagt schon alles über das sportliche Niveau dieser Mannschaft aus. Sagt aber auch alles über das sportliche Niveau des KSC Bosna i Hercegovina aus, dass er diesen Gegner nur mit 4:1 vom Platz fegt.