Samstag, 9. Juni 2018, 14.15 Uhr
Berlin, Teschplatz
Zwei Spielabbrüche innerhalb von nicht
einmal 24 Stunden – das ist schon wirklich ein starkes Stück.
Überhaupt läuft beim zweiten Berlin-Wochenende in Folge zunächst
wenig nach Plan. Vorgesehen war eigentlich, beim SV Empor Berlin
aufzukreuzen, der seine Heimspiele auf Platz 2 des
Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks austrägt. Kein Knaller, aber halt
Berlin-Liga und damit Pflicht. Vor Ort muss dann aber festgestellt
werden, dass heute entgegen der Angabe auf fussball.de auf Platz 3
gespielt wird – ein ausbauloser Kunstrasenplatz, noch beschissener
als Platz 2. Das muss nun wirklich nicht sein. Ein freundlicher Gruß
geht an der Stelle an die Bahn, denn der ICE von Stuttgart nach
Berlin lief pünktlich in der Hauptstadt ein, so dass noch ein paar Minütchen Zeit bleiben,
einen Plan B aus der Tasche zu zaubern. Und siehe da: Ein paar
Straßen weiter bläst die SG Rotation Prenzlauer Berg zum Angriff,
noch gut mit der Straßenbahn zu erreichen. Zusammen mit der SG
Nordring Berlin teilt sich die SG Rotation den Teschplatz, der sowieso
ziemlich weit oben auf meiner Berliner Favoritenliste steht. Zwar
auch ein ausbauloser Kunstrasenplatz, der aber mitten in einem
Altbauviertel liegt und von Hauswänden eingegrenzt
wird. Ein echt cooles Ding! Gastgeber Rotation ist ein typischer
Ost-Verein, der entsprechendes Publikum anzieht. Gleich mehrere
Zuschauer tragen ein T-Shirt vom BFC Dynamo, Hauptthema am
Spielfeldrand ist die gestrige DFB-Pokal-Auslosung, bei der der
DDR-Rekordmeister den 1.FC Köln gezogen hat. Abgesehen davon ist die
Dichte an Anspielungen auf die Mauer, West-Berlin und die SED
auffallend hoch, auch der Begriff „Republikflucht“ fällt
mehrfach. Das alles zwar immer eingebunden in irgendeinen Witz,
trotzdem verblüffend, wie sehr das alles 29 Jahre nach dem Mauerfall
noch eine Rolle spielt. Tiefster Osten, auch wenn Prenzlauer Berg
rein äußerlich eigentlich gar nicht so wirkt. So langsam verstehe
ich dann aber doch den Schwaben-Hass, der einem hier immer wieder
begegnet. Aber zurück zum Fußball: Die Papierrolle im Wappen der SG
Rotation verrät bereits, dass der Verein zu DDR-Zeiten das
Druckergewerbe repräsentierte. Trägerbetrieb war die
SED-Parteizeitung „Neues Deutschland“. Eine prominente Rolle hat
die SG Rotation trotz dieser prominenten Unterstützung im
DDR-Fußball nie gespielt. Heute dümpelt man im Berliner
Amateurfußball umher. Klarer Vorteil heute: Man bekommt eine
komplette Mannschaft zusammen, während die Gäste aus Spandau, für
die es in dieser Partie um rein gar nichts mehr geht, nur mit acht
Feldspielern auf dem Platz stehen. Das Ding dürfte hoch zweistellig
ausgehen, schon zur Halbzeitpause steht es 8:0 für die SG Rotation.
Dann aber hat der Schiedsrichter ein Einsehen, pfeift die zweite
Halbzeit nicht mehr an und bricht das Spiel wegen Unsportlichkeit ab.
Nachteil: Gerne hätte man volle 90 Minuten auf diesem coolen Platz
gesehen. Vorteil: Das Geld fürs Taxi wird gespart, denn so ist auch mit der Straßenbahn ein pünktliches Erscheinen in
Französisch-Buchholz garantiert.